ein arabisches tv-tagebuch
: Sélim Nassib über den Irakkrieg auf al-Dschasira

City okay, Ali no!

Nach Angaben eines Sprechers der US-amerikanischen Truppen „ist der internationale Airport Saddam gefallen“. So sagt es der Moderator. Der Sender überträgt sofort eine Reportage, die den Eingang des Flughafengebäudes unter der Kontolle irakischer Soldaten zeigt. Aber diesen Bildern, die am Vortage während eines begleiteten Besuchs aufgenommen worden sind, folgen diejenigen des heutigen Tages: amerikanische Militärs, die einen Iraker auf einem Balkon des Bagdader Flughafens stoppen, sowie auf dem Rollfeld parkende, zivile Flugzeuge.

Mit blassem Gesicht verliest der irakische Informationsminister eine neue Botschaft von Saddam Hussein und bestreitet, dass sich die Invasionstruppen bereits so nah bei der Hauptstadt befinden. Der Sender aus Katar hat es nicht nötig, das zu dementieren: Die Bilder sprechen für sich selbst.

Die irakischen Verantwortlichen werden sich vor Wut in den Hintern beißen, dass sie zwei Journalisten von al-Dschasira zum Schweigen bringen wollten, was die Abberufung aller Korrepondenten des Senders aus dem Irak zur Folge hatte. Ohne die Reportagen und Kommentare über die Stimmung in den bombardierten Städten, den Widerstand dort und das erlittene Unglück, setzt sich die Sichtweise des amerikanisch-britischen „Feindes“ viel leichter durch.

In den Straßen von Nadschaf sieht man amerikanische Militärs in Kampfhaltung, die versuchen, eine aufgebrachte Menge von Zivilisten in Schach zu halten. Erstaunlicherweise scheint sich die Wut nicht direkt gegen die Soldaten zu richten. Die Demonstranten heben die Arme gen Himmel und setzen ihre Körper als Bollwerk ein, um die Straße zu blockieren, die zum Mausoleum Alis führt, des Schwiegersohns des Propheten und Begründers des Schiismus.

Die amerikanischen Militärs nehmen ihre Gewehre am Lauf und halten die Kolben in die Luft. Die Menge schwankt, während die schiitischen Würdenträger sichtbar bemüht sind, sie zu beruhigen. Einer der Zivilisten schreit: „City okay, Ali no!“ (Die Stadt ist okay, aber nicht das Mausoleum von Ali).

Der amerikanische Offizier wendet sich an seine Männer: „Sie wollen uns hier, aber nicht in der Moschee. Kehrt marsch!“ Nach einem orientalischen Gruß (mit der Hand auf dem Herzen) zieht er sich mit seiner kleinen Truppe zurück. Al-Dschasira merkt dazu an, dass irakische Militärs sich im Mausoleum verschanzt hätten in der Hoffnung, die Amerikaner dazu zu bringen, auf den heiligen Ort zu schießen, was die Wut der gesamten muslimischen Welt anheizen würde.

In dem Moment, in dem die Schlacht um Bagdad losgeht, ist es dem irakischen Regime gelungen, es sich mit dem in der arabischen Welt am meisten gesehenen Sender zu verscherzen. Dieser verurteilt nach wie vor mit Nachdruck die amerikanisch-britische Aggression. Aber Saddam Hussein zählt sicherlich nicht mehr zu seinen Freunden. SÉLIM NASSIB

Sélim Nassib begleitet in seiner Kolumne die Berichterstattung des arabischen TV-Senders al-Dschasira