■ Kann man Verbrechen bekämpfen,indem man Verbrechen begeht?
: Dialektik für Anspruchsvolle

betr.: „Aus falschem Grund das Richtige getan“, Kommentar von Dominic Johnson, taz vom 2. 4. 03

In der Rechtswissenschaft ist es aus guten Gründen grundsätzlich unzulässig, Menschenleben gegen Menschenleben aufzuwiegen. So einfach kann man es sich in diesem Fall wohl nicht machen. Leider diskutiert die politische Linke diese Frage kaum bis gar nicht, hier wird, wie so häufig, viel zu kurz gedacht. Man steht indigniert in der „Meckerecke“. Anstatt sich in wenig konstruktiven Beschimpfungen der unsäglichen US-Regierung zu ergehen, sollte man sich lieber damit beschäftigten, Alternativen aufzuzeigen und über die eigentlich wichtigen Fragen zu diskutieren.

JÜRGEN M. FELDMANN, Mannheim

Johnson scheint irgendwie die Charta der UN zu übersehen, nach der Präventivkriege nicht geführt werden dürfen, aber dies interessiert ihn auch wohl nicht wirklich …

Tote durch Despoten sind schlimm, aber völkermordende Invasoren sind schlimmer. Der Schreiber wundert sich nicht wirklich, warum die Schiiten im Süden nicht Yankees und Briten als Befreier begrüßt haben – die Yankees haben die Schiiten 1991 total bei ihrem Aufstand verladen und im Stich gelassen und jetzt killen sie ihre Frauen und Kinder – aus Angst vor Selbstmordanschlägen. Wer zwingt diese, einen völkerrechtswidrigen Krieg mitzumachen? […] VOLKER HOHLSTEIN, Osnabrück

Die Menschenrechte im Irak werden dadurch verbessert, dass tausenden von Menschen ihr Menschenrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit genommen wird? Die USA bringen dem irakischen Volk seine Rechte, indem sie internationales Recht brechen? Man bekämpft Verbrechen, indem man Verbrechen begeht? […]

Und auch die reale Politik widerlegt Herrn Johnsons Kommentar: Ich möchte Herrn Johnson ja nicht beunruhigen, aber es gibt „keinerlei Hinweise“ darauf, dass sich an der Lage der Menschenrechte im Irak nach dem Krieg „irgendetwas“ ändern wird: Er möge sich doch bitte mal die von den USA gestützten Regime in Saudi-Arabien, Kuwait, Ägypten usw. ansehen und dann erklären, woher er die Gewissheit über eine Besserung der Menschenrechtslage unter einem möglichen von den USA installierten System im Irak hernimmt. Beweis durch Behauptung?

Im letzten Absatz fragt Herr Johnson: „Wenn der Irak hinterher eine bessere Regierung hat – warum nicht?“ Das „Wenn“ soll wohl eher ein „Falls“ sein, denn einen existierenden Beleg für eine „Verbesserung“ gibt es nicht. Und das hat nichts mit pauschalem Antiamerikanismus oder Verschwörungstheorien zu tun: Die Realität der den USA genehmen Regime in Nahen Osten zeigt schlicht genau das Gegenteil. […] MARTIN HOEFS, Siegburg

Dominic Johnson wärmt das „aus richtigen Gründen das Falsche unterstützen“ (oder war es umgekehrt?) des Möchtegernkarlkraus Gremliza auf. Dialektik für Anspruchsvolle. Für einfachere Gemüter: „Man weiß nie, wozu es gut ist“, wie Muttern immer sagte.

Natürlich, Johnson darf sich vorstellen, dass genau wie im Falle Afghanistan der Irakkrieg im Endeffekt auf Menschenrechte nach seinem bildungsbürgerlichen Verständnis, der Befreiung der Frauen von der Burka, hinausläuft. Und nicht bloß auf das besitzbürgerliche einer freieren Geschäftstätigkeit auf der gesamten Welt. Schlichtere Amerikaner meinen hingegen, es gehe darum, „dem Irak in den Arsch zu treten“. Was soll’s. Jedenfalls wäre ein sattes Erdbeben, das die Tötung Saddams und vielleicht ein weniger grausiges Regime zur Folge hat, wohl gerechtfertigt. Wem das nicht einleuchtet, dem sind Saddam Husseins Opfer egal.

KLAUS PRIESUCHA, Oldenburg

Wer behauptet eigentlich, die Verletzung von Menschenrechten rechtfertige unter gar keinen Umständen einen Krieg? Das muss in jedem Fall einzeln für sich betrachtet und entschieden werden. Natürlich hätte die UNO in Ruanda intervenieren müssen, um dem dort verübten Genozid ein Ende zu setzen. […]

Johnson beklagt eine heimliche Freude über Misserfolge der angloamerikanischen Streitkräfte und über viele Opfer bei einigen Kriegsgegnern. Das ist kein Zynismus, sondern entspringt der Wahrnehmung der Bush-Regierung als größerer Bedrohung der Welt als das Regime Saddam Husseins. Es geht hier also nicht um bloße Abneigung gegen den amerikanischen Präsidenten. Das Baath-Regime ist keinesfalls bei der Bevölkerung Iraks beliebt. Die Invasoren der USA und Großbritanniens werden aber als Besatzungsmacht angesehen und werden daher nicht als Befreier begrüßt. Wie in einem Beitrag von taz-Korrespondent Karim El-Gawhary bereits nachzulesen war, entsteht im Irak derzeit ein Bewusstsein, nach dem es darum geht, das eigene Land – nicht aber das Regime des irakischen Diktators – zu verteidigen.

An anderer Stelle äußert er sich dahingehend, dass der Krieg gerechtfertigt sei, wenn Irak nach dem Krieg eine bessere Regierung habe. So eine Regierung wie in Afghanistan vielleicht, die außerhalb Kabuls keinen Einfluss hat, deren Land von größtenteils grausamen Warlords kontrolliert wird, und die ohne die ausländischen Isaf-Truppen weggefegt würde? Die vom Autor erwähnten Frauen Afghanistans können keinesfalls ihr Leben frei bestimmen. Im Falle dieses Landes kann man kaum von einer Befreiung durch die Amerikaner sprechen.

Und schließlich ist es unwahrscheinlich, dass es im Irak demnächst eine gesunde Demokratie geben wird. Eine solche kann dem Zweistromland nicht von einer Besatzungsmacht aufgedrückt werden. Wenn man die Geschichte Iraks betrachtet, weiß man: Nach dem Krieg werden kaum stabile demokratische Verhältnisse in dem Golfstaat einkehren. Sobald beim Volk der Eindruck entsteht, dass das Schicksal des Landes vom Ausland bestimmt wird, kann das Chaos ausbrechen.

FLORIAN BARISCH, Freiburg

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