Nepper, Schlepper, Bauernfänger

Kein schöner Land: Der norwegische Regisseur Hans Peter Moland versucht sich am weltumspannenden Flüchtlingsepos und verfilmt mit „Beautiful Country“ den Passionsweg eines ewigen Außenseiters als Geschichte von Schuld und Opfergängen, von heiligen Huren und schicksalhafter Blindheit

VON BIRGIT GLOMBITZA

Binh muss draußen schlafen, neben dem Vogelhäuschen. Er isst, was übrig bleibt, wäscht die Sonntagskleider und flickt die Fahrräder. Binh ist keine Hilfe, er ist ein Fluch. Sein Gesicht trägt die Züge des Feindes, denn sein Vater war ein GI. Von dem weiß die Großmutter nur noch, dass er gigantische Füße hatte und eine Menge Dreck und Kummer ins Haus brachte.

Binh, den die Dorfgemeinschaft für den „Verrat“ seiner Mutter zeitlebens büßen lassen wird, hat nichts zu verlieren und macht sich auf die Suche nach seinen Eltern. Erst in Ho-Chi-Minh-Stadt, später in Texas. Seine Odyssee führt ihn durch den Dienstboteneingang der korrupten vietnamesischen Oberschicht, durch die Hackordnungen der Flüchtlingslager, die Überlebenskämpfe im Frachter.

Der norwegische Regisseur Hans Petter Moland bekommt es in „Beautiful Country“ mit dem Dilemma zu tun, das die meisten Filme über Flucht und Migration auszeichnet. Zum einen gilt es, aus einer Menschenmasse, die von Schleppern und Menschenhändlern von Ladeflächen zu Ladeflächen verfrachtet wird, eine individuelle Geschichte herauszuschälen. Und zum anderen läuft die Schilderung eines Einzelfalls leicht Gefahr, sich zum schicksalhaften Passionsweg zu versteigen, dem politische oder ethnische Kontexte nur noch als verschwommene Kulisse dienen. Moland entscheidet sich in seinem 126-minütigem Epos von Anfang an für die große Erzählung vom ewigen Außenseiter, vom Verstoßenen, vom Halbblut, vom verlorenen Sohn. Weniger stellvertretend für ein noch immer kriegsversehrtes Land als für eine diffuse Schnittmenge, in der sich die Langzeitgeschädigten diverser Weltanschauungen zusammenfinden.

„Beautiful Country“, sagt die hübsche Chinesin Ling, die Binh in einem malaysischen Flüchtlingscamp trifft, und meint Amerika. Dass sie sich auf ihrem Weg dahin mit Prostitution über Wasser hält, ist ihr Tribut an das große amerikanische Versprechen vom individuellen Glück. „Beautiful Country“, sagt am Ende der wiedergefundene, erblindete Vater (Nick Nolte) und erinnert sich an Vietnam und die Schönheit von Binhs Mutter. Solche weltumspannenden Umarmungen kommen auch bei Moland nicht ohne Klischees aus. Die vietnamesische Schickeria bewacht in platter Hysterie auch den kleinsten Besitz. Daneben die servile Mutter, dies sich vom Sohn ihrer Chefin begrabschen lässt. Ling, die porenreine Verkörperung des gefallenen Mädchens, und vor allem Binhs kleiner Bruder, der den Qualen der Flucht und den Grausamkeiten der Menschenhändler zum Opfer fallen muss, um dem vatersuchenden Protagonisten seinerseits eine misslungene Fürsorge in die Biografie zu schreiben.

Und so verzettelt sich Moland in angebrochenen Geschichten von Schuld und Opfergängen, schleppt seinen Helden von einem epischen Versatzstück zum nächsten, statt sich auf sein durchaus gutes Gespür für die Szenen zu verlassen, in denen sich die Wege eines Deplatzierten ebenso elegant wie beiläufig mit der Zerrissenheit Vietnams verzahnen. Wenn Binh wie ein Cowboy mit seinen Wasserbüffeln durch die Reisfelder zieht, etwa. Und wenn er eine alte, einbeinige Frau, die sich seinen kleinen Bruder buchstäblich ans Bein gebunden hat, von ihrer Aufsichtspflicht erlöst und sie wie ein kleines Kind auf dem Arm nach Hause trägt, dann erzählt diese Sequenz viel authentischer von den Altlasten eines Krieges als all die geborgten Motive von heiligen Huren und schicksalhafter Blindheit.

„Beatiful Country“. Regie: Hans Petter Moland. Mit Damien Nguyen, Nick Nolte, Tim Roth u. a., 126 min.