Magere Bilanz für Millenniumsplan

Kirchen kritisieren schleppende Umsetzung des Plans zur Armutsbekämpfung und warnen vor „Etikettenschwindel“. Sie fordern mehr konkrete Schritte. Lob gibt’s für die Idee, Entwicklungsarbeit als Querschnittsaufgabe zu begreifen

aus Berlin KATHARINA KOUFEN

Die Kirchen fordern die Regierung auf, die Armut in der Welt entschiedener zu bekämpfen. „Ein konkreter Umsetzungsplan liegt immer noch nicht vor“, mahnte der evangelische Prälat Stephan Reimers gestern in Berlin an. Protestanten und Katholiken werten jedes Jahr gemeinsam aus, welche Fortschritte die Regierung bei der Verwirklichung ihres „Millenniumsplans“ macht.

Darin formulierte das Entwicklungsminsterium Anfang 2001 im Auftrag der Regierung Vorschläge, wie Deutschland zum UN-Ziel beitragen kann, die Zahl der Armen bis 2015 zu halbieren. Den Plan zur Armutsbekämpfung hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) auf dem Millenniumsgipfel im September 2000 in New York vorgeschlagen. Deutschland konzentriert sich darin auf bestimmte Pilotländer wie Jemen, Bolivien, Vietnam und Mosambik.

Reimers warnte die Regierung vor einem „Ettikettenschwindel“: Es gehe nicht an, dass längst geplante Maßnahmen nun einfach unter der Überschrift Armutsbekämpfung verkauft würden. „Uns fehlt nach wie vor eine klare Aussage darüber, wie das Design der Armutsbekämpfung aussehen soll.“

Immerhin gestehen die Kirchen der Bundesregierung zu, sie sei ihrem Ziel, Entwicklungspolitik zur Angelegenheit aller Ressorts zu machen, zumindest im Bereich der Agrarpolitik „näher gekommen“. Lange Zeit hat die Europäische Union ihre Überschüsse bedenkenlos zu subventionierten Preisen an Länder in Afrika, Asien und Lateinamerika verkauft – und damit deren Märkte kaputtgemacht.

Mittlerweile ist die Union auf dem Weg, diese Subventionen abzubauen. Auch haben die europäischen Entwicklungsminister vereinbart, den ärmsten Ländern Agrarexporte in die EU zu gestatten – allerdings mit Ausnahme von Reis, Bananen und Zucker.

Positiv hob der katholische Prälat Karl Jüsten außerdem „die Bemühungen der Regierung hervor, den fairen Handel auszuweiten“. Im Februar hatten die Minister Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD), Jürgen Trittin und Renate Künast (beide Grüne) gemeinsam mit dem Verein TransFair ein Einheitslogo für gerechten Handel vorgestellt.

Wieczorek-Zeul betrachtet die Auswertung der Kirchen als „Ansporn“. Die Bekämpfung von Armut sei eine „überwölbende Aufgabe“ der Entwicklungszusammenarbeit und „der einzige Weg, Konflikten den Boden zu entziehen“. In Zeiten von Krieg und Zerstörung sei eine langfristige Politik besonders wichtig.

Derzeit leben rund 1,2 Milliarden Menschen von weniger als 1 Dollar pro Tag, gelten also per UN-Definition als arm. Dass ihre Anzahl bis 2015 auf die Hälfte reduziert wird, gilt als ausgeschlossen. Die UNO selbst rechnete in ihrem letzten Entwicklungsbericht aus, dass es vielmehr noch 130 Jahre dauern würde, wenn die Geberstaaten im Tempo der letzten Dekade weitermachten und nicht mehr Geld in die Entwicklungshilfe steckten.

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