Enten bleiben im Nordosten

Vogelbestand an den Küsten ist stark gefährdet. Vogelbericht 2008 des Bundesamtes für Naturschutz sieht Klimawandel als Hauptursache. Nabu fordert Aktionsplan zur Rettung des Wattenmeeres

Das Wattenmeer an der Nordseeküste zwischen Esbjerg (Dänemark) und Den Helder (Niederlande) ist mit mehr als 10.000 Quadratkilometern das größte tideabhängige Sand- und Schlickwatt der Welt. Dort leben rund 3.200 Tierarten, 250 von ihnen sind endemisch. Zudem ist das Wattenmeer ein weltweit einmaliger Lebensraum für mehr als zwei Millionen Zugvögel und eine Vielzahl bedrohter Tiere und Pflanzen. Die deutschen Anteile sind als Nationalparke der Länder Schleswig-Holstein, Hamburg und Niedersachsen geschützt. Das schleswig-holsteinische Schutzgebiet ist mit 4.410 Quadratkilometern Europas größter Nationalpark (außerhalb Russlands). SMV

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Die Vögel an Nord- und Ostsee sind nach einem Bericht des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) besonders stark in ihrem Bestand gefährdet. Das Aussterben von Brutvogelarten an den Küsten müsse verhindert werden, sagte BfN-Präsidentin Beate Jessel am Dienstag bei der Vorstellung des Berichts „Vögel in Deutschland 2008“ in Bonn. Sinkende Rastbestände im Wattenmeer der Nordsee zeigten an, dass diese Arten auf dem Rückzug seien. Bei mehr als der Hälfte der Wattvogelarten seien die deutschen Brutbestände um mehr als 50 Prozent gesunken.

Besonders stark sind die Einbußen beim Kampfläufer. Aber auch bei Goldregenpfeifer, Großer Brachvogel und Alpenstrandläufer gehen die Brutbestände zurück. Die Ursachen dafür seien unterschiedlich, heißt es in dem Bericht. Der Trend sei jedoch „alarmierend“.

Den Möwen hingegen geht es gut, ihre Zahl hat erheblich zugenommen. Dies gilt vor allem für Herings- und Schwarzkopfmöwe. Der Naturschutzbund (Nabu) hat einen Aktionsplan für das in seiner Existenz bedrohte Wattenmeer gefordert. „Wenn es nicht gelingt, die Weichen für eine Rettung des Wattenmeeres schnellstmöglich zu stellen, geht mit diesem einzigartigen Lebensraum die Drehscheibe des Vogelzugs in Europa verloren“, sagte Ingo Ludwichowski, Geschäftsführer des Nabu in Schleswig-Holstein.

Der wesentliche Grund für den Rückgang der Populationen sei der Klimawandel. Der beeinflusse zunehmend die Überwinterungsplätze der Vogelwelt, sagte Jessel. So verbleibe die kälteempfindliche Löffelente immer öfter in Deutschland. Die resistentere Stockente dagegen würde vermehrt auch im – immer später einsetzenden und zunehmend milderen – Winter in Skandinavien und Russland bleiben.

Auch bei anderen Rastvögeln sind ähnliche Veränderungen zu beobachten. Die Zahl der im Wattenmeer überwinternden Ringelgänse hat nach dem Vogelmonitoring, auf dem der BfN-Bericht basiert, ebenso abgenommen wie die der Muschel fressenden Knutts und Austernfischer, sagte Ludwichowski. Die Zahlen zeigen, dass sich die Rastbestände überwinternder Wasservögel europaweit Richtung Nordosten verlagern. Außerdem sinken die Bestände.

Nach Einschätzung des Nabu bestätigt die Untersuchung, dass der fortschreitende Klimawandel bei dem weltweit einmaligen Ökosystem Wattenmeer zu Verlusten führen wird. Die Wattvögel bräuchten jedoch zum Überleben ausreichend Feuchtgrünland und störungsarme Sandstrände, so Ludwichowski. Deshalb trage die Bundesrepublik „für die Erhaltung dieser Lebensräume eine hohe internationale Verantwortung“, sagte Bundesgeschäftsführer Leif Miller.

Der Nabu fordert daher, dass neue Schutzgebietskonzeptionen bereits jetzt berücksichtigen müssen, was an Veränderungen auf die Vogelwelt zukommen wird. Rückzugsräume für wandernde Tierarten seien so zu erhalten, dass sie für bedrohte Arten auch im Klimawandel von größtem Nutzen seien.

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