Vermutlich eine Botschaft für die Medien

Mit den Raubtieren essen und im Zimmer bergsteigen: Die Ausstellung Conceptual Art From California im Neuen Berliner Kunstverein erfrischt mit Videos und Performances, die lässigen und verschrobenen Aktionen folgen

Die Aktion „Media Burn“ (1975) der legendären kalifornischen Künstlergruppe Ant Farm zieht einen ziemlich schnell in ihren Bann. Als die Künstlerdummys in Astronautenmontur mit einem raumschiffartig umgebauten Cadillac unter Vollgas durch eine Wand aus brennenden Fernsehern rasen, hat das dokumentierte Medienspektakel seinen absoluten Höhepunkt erreicht. Der übertrieben heldenhaft inszenierte Pioniergeist schwankt dabei beträchtlich zwischen Ironie und Pathos.

Ant Fram nehmen nicht nur eine direkte Attacke auf die Bildschirmkultur der USA vor, sie benutzen sie zugleich als Kanal in eigener Sache: Nachrichtenteams eines lokalen Fernsehsenders strahlten das Event live aus. „Was soll das alles bedeuten?“, hören wir die Moderatorin am Ende der Live-Fernsehübertragung der Performance fragen, um lakonisch selbst zu antworten: „Vermutlich eine Botschaft für die Medien.“ Medien und Künstler bespiegeln sich letztlich gegenseitig.

Von einem ähnlich sympathischen, leicht verschrobenen Unterton sind auch die anderen Videoarbeiten und Performancedokumentationen in der aktuellen Ausstellung im Neuen Berliner Kunstverein geprägt. Conceptual Art From California richtet den Blick auf die amerikanische Westküstenszene der 1970er-Jahre, deren Positionen mit Ausnahme weniger zentraler Künstlerfiguren wie Bruce Nauman, Garry Hill, John Baldessari oder Bill Viola heute vergleichsweise unbekannt sind.

„Lightning“ (1976) von Marlene und Paul Kos strahlt ebenso diesen fast lässig zu nennenden Tonfall aus. „When I look for the lightning it never strikes, when I look away it does“, wiederholt eine Darstellerin auf dem Beifahrersitz eines Wagens, und wann immer sie nach draußen schaut, bleibt der Himmel ruhig, sobald sie jedoch ihren Blick der Kamera zuwendet, erscheinen Blitze am Himmel, die für die Protagonistin unsichtbar, für uns durch die Kameraeinstellung hingegen gut zu beobachten sind.

Neben Arbeiten, die aus der Sammlung des Video-Forums des NBK stammen, bildet eine Auswahl von Constance Lewallen das Kernstück einer Show, die auch der naturverbundenen Praxis von Bonnie Sherks Geltung verschafft. In „Portable Parks I–III“ (1970) füllt die Künstlerin innerstädtische Zwischenräume mit temporären Grünflächen und Tieren. Für „Public Lunch“ (1971) solidarisiert sie sich mit Zootieren, isst vor versammeltem Publikum in einem Raubtiergehege und macht dort ein Nickerchen.

Anders als der Ausstellungstitel suggeriert, haben sich auch einige nichtkalifornische Künstler eingeschlichen. Die auf einem hohen Regal platzierte Arbeit „Climbing Around My Room“ (1993) von Lucy Gunning zeigt eine Frau, die in einer häuslichen Version des Bergsteigens durchs Zimmer klettert. Sie hangelt sich an den Wänden entlang und stützt sich lediglich an einzelnen Punkten, wie einem Bücherregal, einer Kleiderstange oder einem Türknauf, ab. Gunning fängt so nicht nur den subtilen Witz früher Konzeptkunst wieder ein, sie arbeitet sich zugleich an ihr ab. Bruce Naumans „Stamping In The Studio“ und „Mapping The Studio“ geht sie mit dem eigenen Körper nach und bricht dabei aus dessen streng eingehaltener Orientierung am Rechteck des Studios aus. Vielleicht ist es solch ein Ausbruch aus dem zunehmend wieder von Malerei und Skulptur geprägten Kunstgeschehen, der die Show mit ihrem Rückgriff auf eine längst vergangene Ära so erfrischend macht.

JULIA GWENDOLYN SCHNEIDER

NBK, Chauseestr. 128/129, Di.–So. 12–18 Uhr, Do. 12–20 Uhr, bis 23. November