Dirigent: eine Null

Kammerphilharmonie brillierte mit und ohne John Carewe

„Die toppen sich jedesmal“, meinte eine kenntnisreiche Besucherin des letzten Abo-Konzertes der Deutschen Kammerphilharmonie in der Glocke. Wieder einmal hatte Bremens musikalisches Aushängeschild einen mitreißenden Abend gezaubert. Darüber hinaus leisteten die MusikerInnen sich einen Gag, der zu denken gibt: Denn die Wiederholung des letzten Satzes der „Haffner“-Sinfonie von Mozart ohne Dirigent – eine von der Kammerphilharmonie auch ansonsten gern geübte Praxis – geriet keinen Deut unprofilierter als zuvor unter der Leitung des englischen Dirigenten John Carewe. Der hörte sich die wirbelnde Einigkeit des Orchesters ohne Taktstock neidlos an.

Aus der Zeit, als noch vom Cembalo und von der ersten Geige aus dirigiert wurde und sich erst allmählich der Dirigent profilierte – was spätestens mit Werken wie denen von Beethoven erforderlich geworden war, vom Anfang des 19. Jahrhunderts also, gibt es einen Bericht des Pianisten Ignaz Moscheles, in dem er sagt, dass der Dirigent mit „seinem Marschallstab, dem Taktstock, seine Musikerarmee nicht leiten kann. Das macht der Vorgeiger, und der Dirigent bleibt eine Null“.

Angesichts der Bedeutung heutiger Dirigenten ist das Erinnern an die historischen Vorgänge äußerst aufschlussreich. So fiel denn auch im gesamten Konzert auf, dass Carewe die MusikerInnen großzügig in Ruhe ließ, wenn sowieso alles lief. So Mozarts „Haffner“-Sinfonie, makellos in ihrer Transparenz, Artikulation und Gestik. Schön auch die Begleitung von Felix Mendelssohn Bartholdys frühem Konzert für zwei Klavier und Orchester.

Die Solopartien spielten virtuos und spannungsvoll Süher und Güher Pekinel, die allerdings mit ihrer Zugabe, den Paganini-Variationen von Franz Liszt, erst mit ihrem wahren technischen Können brillieren konnten. Beethovens „wilde“ zweite Sinfonie beschloss das Konzert vor jener vielleicht bald legendären Zugabe: Da muss die Kammerphilharmonie allerdings aufpassen, dass die Kulturpolitiker nicht zugreifen mit dem Argument: Es geht ja auch ohne Dirigent.

Ute Schalz-Laurenze