Vertrauen zurückgewinnen

Anlegerschutz: Die Verbraucherverbände haben zum 10-Punkte-Programm des Finanzministeriums Stellung genommen. Etliche Ergänzungen seien „dringend erforderlich“, meinen die Anlegerschützer

Bereits im Februar stellte die Bundesregierung Pläne vor, wie der „Finanzplatz Deutschland“ zu stärken sei. Vor vier Wochen konkretisierte man das Vorhaben unter anderem mit einem 10-Punkte-Programm. „Transparenz ist unerlässlich“, lautet das Credo – und damit stößt man nirgendwo auf grundsätzlichen Widerspruch.

Dieser Tage bezogen nun die Verbraucherschützer dazu Stellung. „Die Vertrauenskrise gerade am deutschen Aktienmarkt ist auch auf fehlerhafte, unterlassene oder intransparente Unternehmenskommunikation zurückzuführen“, meint Klaus Schneider, Vorstandsvorsitzender der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (SdK), in einem gemeinsamen Positionspapier mit dem Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv). In der Vergangenheit sei versäumt worden, heißt es darin, für einen „ausreichenden Schutz der Anleger zu sorgen“ – was zahlreiche Skandale zur Folge gehabt habe. Ohne eine Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen würden „viele Investoren dauerhaft der Börse fernbleiben“, so die Prophezeiung. Denn nichts sei schlimmer, „als betrogen zu werden und dabei zu erkennen, dass man gegenüber den Betrügern rechtlos gestellt“ sei. Auch beim Deutschen Aktieninstitut (DAI) begrüßt man die Vorschläge weitestgehend als Beitrag zu „einer wachsenden Integrität des Kapitalmarktes“.

Ein Punkt aus dem Maßnahmenkatalog ist die persönliche Haftung von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern gegenüber der Kapitalgesellschaft. Damit einher geht eine stärkere Position der Aktionäre, wenn sie eine Haftungsklage der Gesellschaft gegen ihre Organe durchsetzen wollen. Die Verbraucherverbände unterstützen dies „uneingeschränkt“, halten aber „zahlreiche Ergänzungen für dringend erforderlich“. Sie fordern etwa, die Haftungsgrenzen so hoch zu setzen, „dass die Handelnden zu Sorgfalt motiviert“ würden. Seien sie über eine Berufshaftpflicht abgesichert, müsse „ein substanzieller Selbstbehalt“ – etwa in Höhe des Jahreseinkommens – „als Anreiz für korrektes Verhalten gesetzlich festgeschrieben werden“.

Ein weiterer Kernpunkt: die persönliche Haftung der Vorstände und Aufsichtsräte gegenüber Anlegern für vorsätzliche oder grob fahrlässige Falschinformation des Kapitalmarkts. Es müsse damit „Schluss sein“, so Klaus Schneider in der Stellungnahme der SdK, dass „nur positive Zahlen kommuniziert, negative Fakten jedoch unter dem Tisch gehalten werden“. Laut Maßnahmenkatalog werde geprüft, inwieweit Schadenersatzansprüche „nicht nur bei falschen oder unterlassenen Ad-hoc-Meldungen, sondern auch bei anderen Falschinformationen eingeräumt werden sollten“ – etwa hinsichtlich der Angaben in Abschlüssen, Lage- und Zwischenberichten, aber auch bei irreführenden Aussagen etwa in Reden oder Interviews. „Es muss klargestellt sein“, so die Anlegerschützer, „dass jeder, der den Kapitalmarkt vorsätzlich mit falschen Informationen versorgt, nicht nur strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden muss, sondern auch zum Schadenersatz verpflichtet ist.“ Dies erhöhe „die Abschreckungswirkung erheblich“.

Die persönliche Haftung der Manager, heißt es dazu beim DAI, schone die Firmenkassen und stelle „unbestreitbar einen kapitalmarktrechtlichen Fortschritt dar“. Doch glaubt man offenbar, dass Manager, die zu dem, was sie sagen, auch stehen können, rar gesät sind. „Unter diesen Umständen dürfte es immer schwieriger werden, qualifiziertes Führungs- und Aufsichtspersonal zu finden, das bereit ist, die wachsenden Haftungsrisiken in Kauf zu nehmen“, schreibt Rüdiger von Rosen, geschäftsführender DAI-Vorstand, in der Börsen-Zeitung – was nicht ganz einleuchtet: Ihnen wird nicht mehr abverlangt als jedem Handwerksmeister, nämlich für schlechte Arbeit geradezustehen – nur bei einem erheblich höheren Salär.

Derzeit gilt, dass „für Pflichtverstöße in Zusammenhang mit Ad-hoc-Meldungen nur der Emittent unmittelbar haftet“. Klagt also ein Aktionär mit Erfolg, zahlt die Kapitalgesellschaft etwaige Ersatzansprüche aus dem Gesellschaftsvermögen – und damit wiederum aus dem Vermögen des Klägers, der ja Miteigentümer der Gesellschaft ist. Er schädigt sich also womöglich selbst.

Aus Sicht der beiden Verbraucherorganisationen ist die „Haftungsausdehnung eine Selbstverständlichkeit“. Denn der Anleger, heißt es zur Begründung, lese oftmals eine Ad-hoc-Meldung nicht unmittelbar, sondern erfahre davon erst über die Medien. Dabei differenziere er nicht, „ob es sich um eine Ad-hoc-Meldung oder eine Pressemitteilung des Unternehmens handelt“ – zumal dies aus der Berichterstattung nur selten hervorgeht. „Es ist nicht nachvollziehbar“, so SdK und vzbv, „dass man für einen Sachverhalt, der in einer Ad-hoc-Mitteilung unrichtig ist, haften soll, nicht hingegen für den identischen Sachverhalt, der in einer Pressemitteilung enthalten ist.“

Das 10-Punkte-Programm ist damit noch längst nicht erschöpft. Weitere Abschnitte befassen sich beispielsweise mit Musterklagen für Anleger – die künftig ermöglicht werden sollten. Außerdem will man aktienbasierte oder erfolgsorientierte Vergütungen von Vorständen transparenter machen, beispielsweise durch Offenlegung etwaiger Aktienoptionen, sowie unter anderem Bilanzregeln an internationale Grundsätze der Rechnungslegung anpassen. Auch die Rolle des Abschlussprüfers ist im Visier der Maßnahmen: Seine Unabhängigkeit soll damit gesichert sein, dass ihm weitere Leistungen für das Unternehmen – etwa Buchführung, Gutachten, Durchführung von Innenrevisionen oder Tätigkeiten als Finanzdienstleister, untersagt werden. Zudem sei zu prüfen, inwiefern ihm Rechts- und Steuerberatung verboten werden können, sofern er damit das Unternehmen als Mandanten nach außen vertritt. Eine Überwachung der Rechtmäßigkeit konkreter Unternehmensabschlüsse durch eine außerhalb des Unternehmens stehende unabhängige Stelle wird ebenfalls diskutiert, damit sich der Wirtschaftsprüfer nicht noch selbst die Richtigkeit seiner (womöglich fehlerhaften) Arbeit bestätigt. Auch dem Grauen Kapitalmarkt, der Rolle von Analysten und Rating-Agenturen kommt jeweils ein eigenes Kapitel zu.

Der Katalog der Regierung, so die zusammenfassende Einschätzung der Verbraucherschützer, weise „in die richtige Richtung“ – bleibe aber noch „hinter der Zielsetzung eines verbesserten Anlegerschutzes“ zurück. Es müsse allen Beteiligten klar sein, dass „Kapitalmarktdelikte keine Kavaliersdelikte sind“.

Die beiden Verbände warnen davor, einen „verbesserten Anlegerschutz als Zusatzbelastung für die Unternehmen zu diffamieren“. Der Fachbereichsleiter Finanzdienstleistungen des vzbv, Manfred Westphal: „Mehr Anlegerschutz wird der Börse und den Unternehmen neue Auftriebskraft verleihen.“ Mit der Umsetzung der Vorschläge in ein Gesetz wird noch für dieses Jahr gerechnet. Das unternehmerische Risiko, das jeder Anleger mit einem Aktienkauf eingeht, lässt sich damit natürlich nicht absichern. ANDREAS LOHSE

Das 10-Punkte-Programm gibt es als Download unter www.bundesfinanz ministerium.de, die ausführliche Stellungnahme der Verbraucherschützer ist unter www.vzbv.de zu finden