Radlosigkeit in Essen

Essen soll die Auszeichnung „Fahrradfreundliche Stadt“ verlieren. Knapp entkommt die Ruhrstadt einer erneuten Verleihung der „Rostigen Speiche“

„Essen bemüht sich sehr halbherzig um ein fahrradfreundliches Image“

VON NATALIE WIESMANN

Radfahrer in Essen haben es nicht leicht: Die ohnehin raren Fahrradwege werden teilweise zurückgebaut, geplante Erweiterungen liegen seit der politischen Wende im Essener Rat 1999 brach. Nun soll die Stadt die Auszeichnung „Fahrradfreundliche Stadt“ verlieren.

Vor zwei Tagen versammelten sich Vertreter der Stadt, der Landeskommission „Fahrradfreundliche Städte NRW“ und der örtlichen Radlerverbände zu einem informellen Treffen. Die Ruhrstadt muss ein Sofortprogramm starten, um eine Aberkennung des Titels zu vermeiden, sickert durch. Die Essener Fahrradinitiative (EFI) hat bereits gemeinsam mit dem örtlichen ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club) bei der Kommission einen Maßnahmenkatalog eingereicht.

Rolf Fliß, Vorsitzender des EFI, ist sich der heiklen Haushaltslage seiner Stadt bewusst. „Es gibt fast kostenneutrale Verbesserungsmöglichkeiten.“ Dazu gehöre die Öffnung von Einbahnstraßen in der Gegenrichtung für Radfahrer. „Dafür bedarf es nur der Aufstellung eines Schildes“, so Fliß. Thomas Rommelspacher, Landtags-Grüner aus Essen und Mitglied der Kommission nennt ein Beispiel von halbherziger Fahrrad-Politik: Auf der Aktienstraße von Mühlheim nach Essen-Borbeck sei seit langem ein Fahrradweg geplant. Vor kurzem hätte man die Straße neu asphaltiert. Im Zuge der Fahrbahnerneuerung hätte man einen Fahrradstreifen aufmalen können, was jedoch nicht geschehen sei. Stattdessen plane die CDU einen Fahrradweg auf dem Bordstein, der aber nicht ausgeführt würde. „Die CDU und FDP entscheiden immer zugunsten der Autofahrer“, sagt Jörg Brinkmann vom örtlichen ADFC. Die SPD verhalte sich neutral, nur die Grünen bemühten sich um mehr Fahrradwege.

Im Herbst 2003 hat der Bundesverband des ADFC eine Umfrage unter Radfahrern durchgeführt, die endgültigen Ergebnisse sollen im März in Potsdam präsentiert werden. Was schon fest steht: Beim sogenannten Fahrrad-Klima-Test hat Essen wieder einmal schlecht abgeschnitten. Bereits beim letzten Test hatte sich die Stadt mit der Schulnote Fünf minus die Auszeichnung „Rostige Speiche“ eingeheimst. „Dieses Jahr wird es wohl auf eine Fünf plus hinauslaufen“, verrät Jürgen Brinkmann vom ADFC. Damit müsste Essen ganz knapp an der Wiederverleihung der rostigen Speiche vorbeschliddern.

„Mir fehlt der Masterplan für Essen“, sagt Ulrich Siegel, Pressesprecher des ADFC-Landesverbandes. In Herne gebe es einen runden Tisch, wo sich Verwaltung, Polizei und Fahrradverbände zusammen versuchten, das Thema Fahrrad nach vorne bringen.Was bei der Bewerbung Essens zur Kulturhauptstadt funktioniert hat, wünsche ich mir in Sachen Fahrrad“. In einem Jahr wird eine Kontrollkommission die Bemühungen der Stadt überprüfen und über eine Aberkennung der Fahrradfreundlichkeit entscheiden. „Wir wollen auf jeden Fall fahrradfreundliche Stadt bleiben, sagt Detlef Feige, Pressesprecher der Stadt Essens.

Im Gegensatz zu Essen scheinen andere Revier-Großstädte an einer solchen Auszeichnung überhaupt nicht interessiert zu sein. Weder Dortmund, Duisburg, noch Bochum sind Mitglied der AG. Die kleineren Ruhrgebietsstädte bemühen sich mehr um ihre Radfahrer: Gladbeck und Marl sind seit der Gründung 1993 dabei. Auch Oberhausen und Recklinghausen, Hamm, Mühlheim und Unna engagieren sich für ihre umweltfreundlichen Verkehrsteilnehmer.