Kesseltreiber hatten Unrecht

Gelsenkirchener Verwaltungsgericht erklärt Einkesselung von Dortmunder Antifa-Demonstranten im Herbst 2000 für rechtswidrig. Die Opfer warten nun auf eine Entschuldigung der Polizei

VON KLAUS JANSEN

Der berüchtigte „Dortmunder Kessel“ ist rechtswidrig. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat in einem offenen Richterbrief bekannt gegeben, dass die Dortmunder Polizei gegen das Grundrecht der Versammlungsfreiheit verstoßen hat, als sie am 21. Oktober und 16. Dezember 2000 hunderte Demonstranten einkesselte, die gegen Naziaufmärsche protestieren wollten. Die Demonstration hätte aufgelöst werden müssen, bevor die Teilnehmer von der Polizei umstellt wurden. Es habe keine Gewalttaten der Demonstranten gegeben, die den Polizeieinsatz rechtfertigen könnten, erklärten die Richter.

Dortmunds Polizeipräsident Hans Schulze erkannte den Gerichtsentscheid am Montag in einer schriftlichen Erklärung offiziell an. Es bestehe keine Chance mehr auf eine erfolgreiche Prozessführung, heißt es. Den Kesselopfern verschafft die Entscheidung Genugtuung: „Das ist die Bestätigung unserer jahrelangen Arbeit“, sagt Heinz Schröder von der „Notgemeinschaft Polizeikessel-Betroffener Dortmund“. Die Richter hätten dem Polizeipräsidenten keine Wahl gelassen: „Die Anerkennung des Briefs war für ihn der letzte Weg, um dem Medienrummel eines Urteils zu entgehen“, sagt er. „Wir warten immer noch auf eine förmliche Entschuldigung.“

Entschuldigen will sich die Dortmunder Polizei auf keinen Fall. Von einer „überraschend ungünstigen Bewertung“ der Richter spricht Pressesprecher Wolfgang Wieland. Er verweist darauf, dass die Staatsanwaltschaften Dortmund und Essen sowie das Landgericht Dortmund den Polizeieinsatz zuvor als fehlerfrei und rechtlich geboten bezeichnet hätten. Im Düsseldorfer Innenministerium sieht man das ähnlich: „Zwei Juristen, drei Meinungen“, kommentiert Pressesprecher Ulrich Rungwerth den Streit. Schulzes Anerkennung des Richterbriefs sei die richtige Entscheidung, entschuldigen müsse er sich nicht. Rungwerth glaubt an Besserung: „Die Demonstrationskultur hat sich geändert.“ Bei den Demos am Rande der Wehrmachtsausstellung im vergangenen Herbst habe die Polizei bewiesen, dass es auch anders gehe.

Dies erkennen auch die Opfer an. Allerdings: „Es ist offensichtlich nicht der Einsicht der Polizei zu verdanken, dass es bei den letzten Demos keine Kessel mehr gab“, sagt Michael Bellwinkel von den Stadtgrünen Dortmund. Auch die Anwälte der Opfer üben weiter Kritik: „Dass die Polizei von Überraschung spricht, ist Unfug“, sagt der Rechtsanwalt Wilhelm Achelpöhler. „Die Rechtslage ist völlig klar.“ Schon im März 2001 habe das Oberverwaltungsgericht NRW klar gemacht, dass die Einkesselung rechtswidrig gewesen sei. Wenig kooperativ findet der auch das Verhalten der Polizei vor Gericht. Die Behörde habe Akten nur verzögert weitergeleitet und sich entgegen der gängigen Praxis von einem externen Anwalt vertreten lassen. „Es ging nur darum, das Kostenrisiko für die Kläger zu erhöhen.“ Nun soll eine ordentliche Entscheidung der Richter her:„Wir werden ein Anerkennungsurteil beantragen“, sagt Achelpöhler. „Das macht die Sache noch klarer.“ Dies wäre das Ende des Rechtsstreits, da die Opfer wahrscheinlich auf Schmerzensgeldklagen verzichten werden. „Hauptsache, die Grundrechte der Opfer sind gesichert“, sagt Achelpöhler.