Selbst ernannter Retter

Mediziner warnen vor den Praktiken des Dr. Matthias Rath, der gestern im Hamburger Congress Centrum auftrat. Krebskrankes Kind dient als Beweis für seine Heilthesen

Hamburg taz ■ Sein Hamburger Auftritt am gestrigen Abend im Congress Centrum CCH war begleitet von alarmierenden Stimmen. „Seine Methoden sind fragwürdig, nicht fundiert“, sagt etwa Dr. Michael Reusch, Chef der Hamburger Ärztekammer, über den selbst ernannten Krebsheiler Dr. Matthias Rath. Auch Dr. Thomas Meinertz, Kardiologe der Eppendorfer Uniklinik warnt eindringlich davor, bei Herzkrankheiten Präparate mit hohen Vitamin-E-Dosen zu behandeln, wie Rath es propagiert. Diese würden das Herzinfarktrisiko eher erhöhen und „dürften im Handel nicht länger frei verfügbar sein“.

Zugelassen sind die Präparate des Doktor Rath, der für seine Heilmethode in zahlreichen großformatigen Zeitungsanzeigen wirbt, in Deutschland ohnehin nicht – sie werden vom niederländischen Almelo aus über Internet nach Deutschland vertrieben. Der schwunghafte Handel über die Homepage kann weder kontrolliert noch eingedämmt werden – rund 60 Millionen Euro setzt Rath jährlich mit seinen Heilmitteln um.

Statt harter wissenschaftlicher Fakten bemüht der umstrittene Doktor mit Vorliebe seine Patienten, um die Heilerfolge seiner zweifelhaften Methoden anzupreisen. Als Aushängeschild fungiert dabei die Sängerin Katja Ebstein („Wunder gibt es immer wieder“), die auf die teuren Vitaminpillen des Mediziners schwört. Mit welchen Praktiken Rath dabei arbeitet, zeigt seine Werbekampagne „Dominik wird leben!“, in deren Mittelpunkt der achtjährige, an Knochen- und Lungenkrebs im fortgeschrittenen Stadium erkrankte Dominik Feld steht. In ihrer Verzweiflung wandten sich Dominiks Eltern an Rath, der ihm flugs eine „Zell-Vitalstoff“-Therapie verordnete und ihn anschließend für geheilt erklärte.

Seitdem zerrt Rath den Achtjährigen an die Öffentlichkeit, posiert mit ihm auf Anzeigen, in denen er seine Präparate bewirbt. Als „Beweis“ für Dominiks Heilung dient ein aktuelles Röntgenbild, auf dem tatsächlich „in den Lungen keine Metastasen“ mehr zu erkennen sind. Nur ist – für den Laien schwer erkennbar – auf dem Röntgen-Beweis nicht einmal die Lunge zu sehen, in der sich die Metastasen angeblich zurückgebildet haben.

Den Münsteraner Krebsspezialisten Prof. Heribert Jürgens, der versucht, Dominiks Eltern das medizinische Sorgerecht zu entziehen, um den schwer kranken Jungen noch zu retten, zeigte Rath kurzerhand wegen versuchten Totschlags an. Die Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen mangels Anfangsverdacht inzwischen ein.

Wenig Erfolg hatte Rath auch in zwei anderen gerichtlichen Auseinandersetzungen. Das Amtsgericht Berlin Tiergarten verurteilte den Mediziner im vergangenen Oktober wegen „vorsätzlichen Verstoßes gegen das Verbot irreführender Werbung zu einer Geldstrafe von 45.000 Euro. Kurz darauf verbot ihm das Berliner Landgericht bei einer Strafandrohung von 250.000 Euro sich öffentlich als renommierten Wissenschaftler zu bezeichnen. MARCO CARINI