Schleierhafte Erkenntnisse

Ausländerbehörde weist Antrag eines Ägypters auf Einbürgerung ab: Sein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung sei fraglich, weil seine deutsche Ehefrau Kopftuch trägt und sein Bruder Mohammad Atta zum Trauzeugen hatte

Von EVA WEIKERT

„Für die Behörde ist jeder arabische Muslim ein potenzieller Terrorist“, empört sich Ute Kuczera. Die gebürtige Hamburgerin ist mit einem Ägypter verheiratet, der seit drei Jahren um seine Einbürgerung kämpft. Aber Mohammad-Fahmy Diraz darf nicht Deutscher werden wegen seiner „möglicherweise nicht mit einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung konformen Auffassung“. So begründete die Ausländerbehörde jetzt ihren abschlägigen Bescheid. Und führt als Indiz das Kopftuch an, das seine Frau trägt. Anwältin Christiane Yüksel rügt: „Hier werden Kopftuch, Islam und Terrorismus gleichgesetzt.“

Das Paar hat sich nach eigenen Angaben 1992 in Hamburg kennen gelernt – zwei Jahre nachdem Kuczera zum Islam konvertierte. Seitdem trägt Kuczera ein Kopftuch als Symbol ihrer Religiosität und hat den zweiten Vornamen Sumayya angenommen. „Mein Glaube“, sagt sie, „hat mit meinem Mann nichts zu tun.“

Das sieht die Innenbehörde anders. In ihrem Bescheid schreiben die Beamten, Diraz habe seine Gattin „dahingehend geistig geprägt, dass diese nunmehr Kopftuch trägt und einen Vornamen aus dem orientalischen Kulturkreis angenommen hat“. Dieses deute darauf hin, dass „der Antragsteller möglicherweise kompromisslos gegen die westliche Grundordnung eingestellt ist“. Als weitere Hürde für die Einbürgerung führt die Behörde staatsanwaltschaftliche Ermittlungen an. Doch der taz erklärte die Staatsanwaltschaft: „Gegen Mohammad-Fahmy Diraz liegt hier nichts vor.“

Der Agrarwissenschaftler hatte vor drei Jahren den deutschen Pass so gut wie sicher: Seinen Antrag vom 20. Juli 2001 beantwortete die Behörde schon drei Wochen später mit einer Einbürgerungszusicherung. Doch dann folgten die Anschläge vom 11. September, als deren Drahtzieher radikale Islamisten gelten. Und für Diraz wurde die infolge der Attentate neu eingeführte Abfrage beim Landesamt für Verfassungsschutz nachgeholt. Zwar gab es zunächst keine „einbürgerungshindernden Erkenntnisse“, wie die Behörde schrieb.

Erst nach wiederholter Anfrage der Einbürgerungsabteilung teilten die Verfassungsschützer im Mai 2002 mit, der Ägypter gehe in die Mouhajerin-Moschee in der Kirchenallee, welche auch islamische Fundamentalisten besuchten. Zudem sei Todespilot Mohammed Atta 1995 Trauzeuge von Diraz‘ Bruder gewesen. „Die Nähe zu Atta ruft Zweifel hervor“, sagt Christoph Bushart von der Ausländerbehörde: „Man wird ja nicht zufällig Trauzeuge.“

„Doch“, meint Kuczera. Weder ihr Mann noch ihr Schwager hätten Atta vor der Trauung gekannt. Den Trauzeugen habe dessen deutsche Braut ausgesucht. „Und die Mouhajerin-Moschee suchen wir seit Jahren nicht mehr auf.“ Auch den Vorwurf der Behörde, ihr Mann könne den Lebensunterhalt der Familie nicht bestreiten, weist Kuczera zurück. Als Angestellter ihrer Export-Firma beziehe ihr Gatte heute ein höheres Monatsgehalt als bei der Antragstellung 2001.

Anwältin Yüksel sieht in den Problemen des Paares keinen Einzelfall. Derzeit betreue sie „mehrere Mandanten aus dem islamischen Kulturkreis, deren Einbürgerung sehr schleppend läuft“, berichtet die Juristin und fügt hinzu. „Möglicherweise könnte eine Strategie der Behörde dahinter stecken.“ Bushart weist den Vorwurf zurück: „Es gibt keinen Kopftuch-Erlass.“ Zweifel am Bekenntnis des Antragstellers zum Grundgesetz seien der „tragende Grund“ für den abschlägigen Bescheid.

Gegen den hat Anwältin Yüksel bereits Revision eingelegt.