Briten rücken in Basra ein

Panzer stehen in der Innenstadt. Nur geringe irakische Gegenwehr. Haus von „Chemie-Ali“ bombardiert

BERLIN taz ■ Nach zweiwöchiger Belagerung sind britische Soldaten gestern in das Zentrum der südirakischen Stadt Basra vorgestoßen. Berichten zufolge sind hunderte von Panzern und mehrere tausend Soldaten an der Aktion beteiligt. Der Flughafen der zweitgrößten irakischen Stadt soll eines der Ziele sein. Nach Berichten von Korrespondenten vor Ort trafen die Soldaten nur vereinzelt auf Gegenwehr. Ein britischer Offizier bestätigte die Aussage von Flüchtlingen, wonach die Panzer die Bagdad-Straße erreicht hätten, die durch das Zentrum der Stadt führt.

„Es ist eine Stadt, in die wir eindeutig hineinmüssen und in der wir die Baath-Partei und die Irregulären ausmerzen müssen, die dort kämpfen“, sagte der britische Militärsprecher Chris Vernon dem britischen Fernsehsender BBC.

Einwohner von Basra sprachen von neun oder zehn Panzern im Zentrum der Stadt. „Ja, sie sind im Zentrum. Sie sind auf der Bagdad-Straße“, sagte ein Augenzeuge der Nachrichtenagentur Reuters. Er fügte hinzu, die britischen Panzer seien bei ihrem Vorstoß auf leichten Widerstand der paramilitärischen Fedajin-Kämpfer gestoßen.

Weitere Augenzeugen berichteten, eine paramilitärische Gruppe habe Zivilisten beschossen, die Basra in einem Lastwagen verlassen wollten. Sie seien aufgefordert worden zurückzukehren, um die Stadt zu verteidigen. Ein Mann sei verletzt worden, als eine paramilitärische Einheit auf einen Wagen mit Zivilisten geschossen habe, sagte ein Wageninsasse laut Reuters. „Wir sind gefahren, und sie haben das Feuer auf uns eröffnet und gesagt, dass wir in dem Krieg kämpfen sollen.“

Zivilisten aus Basra hatten wiederholt berichtet, Angehörige der regierenden Baath-Partei hätten eine „Terrorkampagne“ gegen sie geführt, um sie zum Widerstand gegen die US-geführten Streitkräfte zu zwingen.

Bewaffnet waren die vorrückenden britischen Soldaten unter anderem mit Flugblättern mit einer Erklärung und einem Foto des britischen Premierminister Tony Blair. Er versprach den Irakern ein friedliches Leben in Wohlstand und beteuerte, dass weder die Briten noch die USA oder die Vereinten Nationen das Land kontrollieren werden.

Einen Tag vor dem britischen Vorstoß auf Basra bombardierten die verbündeten Truppen das Haus eines der führenden Mitglieder des Regimes, General Ali Hassan al-Madschid.

Al-Madschid ist ein Cousin und enger Vertrauter Saddam Husseins und gegenwärtig für die Südfront verantwortlich. Auf sein Konto geht der Einsatz von Giftgas gegen die kurdische Stadt Halabscha vor 15 Jahren. Dabei kamen Schätzungen zufolge über 5.000 Menschen ums Leben – seither wird er auch „Chemie-Ali“ genannt. Außerdem wird er für das „Verschwinden“ von etwa 100.000 Kurden im Rahmen der so genannten Anfal-Kampagne verantwortlich gemacht.

„Der Angriff war ein Teil der andauernden Bemühungen, das Regime Saddam Husseins zu beenden“, hieß es in einer Erklärung des US-Zentralkommandos. „Eine umfassende Untersuchung der Wirksamkeit des Angriffs ist im Gange.“

Bislang ist nicht klar, ob al-Madschid dabei getötet wurde. Nach Angaben eines britischen Militärs griffen die Soldaten an, nachdem es verlässliche Hinweise gegeben habe, dass sich al-Madschid in seinem Haus in Basra aufhalte. „Es ist sehr wahrscheinlich, dass jeder, der sich in dem Haus aufhielt, getötet wurde“, sagte der Militär nach Angaben der Agentur AFP. Vermutlich setzen die amerikanisch-britischen Steitkräfte darauf, dass die Herrschaft der Baath-Partei zusammenbricht oder sich deren Mitglieder ergeben, sobald die Führung tot ist.

Die arabische Zeitung Al Sharq al-Awsat berichtete am Samstag, dass sich die Parteiführung in Basra den britischen Truppen ergeben will, sobald die irakische Hauptstadt Bagdad erobert ist. Dem Artikel zufolge haben Parteiführer den schiitischen Geistlichen Mohammed al-Bosslimi eine entsprechende Botschaft zukommen lassen. Darin habe es geheißen, die Politiker füchteten die Rache der Bevölkerung. „Sie haben Angst, aber sie sagen, dass sie sich ergeben wollen, sobald Bagdad fällt“, wurde der Geistliche zitiert. Möglicherweise gäben die Parteiführer auch auf, wenn die Briten in die Stadt einrückten. „Das Problem ist, dass die verhassten Parteimitglieder vor der Wut der Bevölkerung geschützt werden möchten, falls sie ihre Waffen niederlegen“, fügte der Geistliche hinzu. BEATE SEEL