BETTINA GAUS über FERNSEHEN
: Besonders nett ist Katrin Göring-Eckardt

Das Beruhigende an der Sendung mit Sabine Christiansen ist die Gewissheit, dass Revolutionen nicht stattfinden

Die Reaktion auf Fernsehsendungen hat ja häufig viel mit der eigenen Gemütsverfassung zu tun. Ein gemütlicher Winterabend, eine kuschelige Ecke, ein Glas Rotwein – da kommt Sabine Christiansen gerade recht. Was will man denn an solchen Tagen? Sicherheit, Ruhe, Verlässlichkeit und den Glauben daran, dass die Zukunft berechenbar ist. Bei Christiansen ist sie das, Sätzchen für Sätzchen. Guido Westerwelle muss den Mund noch gar nicht aufgemacht haben, da weiß man schon, dass er gleich Neuwahlen fordert, die Ausbildungsplatzabgabe geißelt und dass es ihm auch gelingen wird, irgendwann seinen Abscheu vor dem Dosenpfand zu erwähnen.

Angela Merkel findet das fast alles richtig, hat allerdings kaum eine Chance, zwei zusammenhängende Sätze zu sagen, weil sie dauernd von Otto Schily unterbrochen wird. Der will unbedingt betonen, dass alles, was getan wird, wohlgetan ist, und mutiert dann vor laufender Kamera zum lebenden Wahlplakat: „Wir haben den besseren Kandidaten, wir haben das bessere Programm für Hamburg.“ Da mag es draußen stürmen und schneien – innen herrscht Geborgenheit. (Warum fällt einem im Zusammenhang mit Schily immer das Verb „herrschen“ ein? Na, egal.)

Besonders nett ist die grüne Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt. Sie ist „sehr froh“ über die neue Arbeitsteilung in der SPD und findet Franz Müntefering „sehr glaubwürdig“. Es ist schön, wenn Menschen sich noch so freuen können. Ob sie auch so begeistert öffentlich zugestimmt hätte, wenn drei Tage vorher ein Leitartikler ganz unverbindlich vorgeschlagen hätte, der Kanzler möge den Parteivorsitz abgeben? Oder ob sie das auf Nachfrage für völlig abwegig erklärt hätte? Wer kann das wissen.

Das wirklich Beruhigende an der Christiansen-Sendung ist die Gewissheit, dass Revolutionen nicht stattfinden. Unvorstellbar, dass etwa Katrin Göring-Eckardt sagen würde, das sei ja nun eine ganz neue Situation, von der sie am Freitag gänzlich überrascht worden sei, und sie sei selber neugierig, wie sich das entwickeln werde. Politikerinnen und Politiker werden niemals überrascht, und sie sind auch nie neugierig. Es muss merkwürdig sein, als Person dieser Art durchs Leben zu gehen.

Zu Jahresbeginn hatte ich mich auf die Dschungel-Show von RTL richtig gefreut, aber leider lag das daran, dass ich das Konzept missverstanden hatte. Irrtümlich war ich nämlich davon ausgegangen, dass die beliebtesten Semi-Prominenten als Erste herausgewählt werden und die unbeliebtesten am längsten im Camp bleiben müssen.

Diese Idee fand – und finde – ich ausbaufähig. Bestimmt wäre eine Dauer-Diskussionssendung unter dem Motto „Ich bin ein Politiker – holt mich hier raus!“ ein Quotenhit. Die Krokusse blühen, die Freibäder öffnen und schließen, das Laub fällt von den Bäumen, und immer, wenn man den Fernseher anmacht, sieht man Guido Westerwelle. Der sagt Dosenpfand und Sabine Christiansen blickt ihn mit diesem kritisch-verständnisvollen Blick an, den ihr niemand nachmacht.

Leider wird das wohl nichts werden. Aber es gibt ja noch andere Formate. Das ZDF will seinen Ruf im Bereich der Fernsehunterhaltung damit festigen, dass es seinen einzigen Entertainer Thomas Gottschalk in einer „deutschen Familie“ als Logiergast unterbringt. Der soll dann das ganz normale Leben mitleben und dabei gefilmt werden. Toll! Echt spannend! Aber warum nur Thomas Gottschalk? Warum nicht auch in diesem Zusammenhang auf Politiker zurückgreifen? Man stelle sich vor: Wieder und wieder dürften wir Guido Westerwelle dabei zuschauen, wie er Dose um Dose entschlossen und mutig in den Restmüll schmeißt. Wenn das nicht geeignet ist, der Bevölkerung verloren gegangenes Vertrauen in ihre Volksvertreter zurückzugeben, dann – ja, dann weiß ich auch nicht weiter.

Fotohinweis: BETTINA GAUS FERNSEHEN Fragen zu kuscheligen Ecken? kolumne@taz.de Morgen: Kirsten Fuchs über KLEIDER