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Archiv-Artikel

Moderate Strafforderung

Staatsanwaltschaft fordert sechs Jahre Gefängnis für Jürgen Harksen. Dessen Verteidiger plädiert auf Freispruch: Lügengeschichten seien zu offensichtlich gewesen

Die entscheidende Frage vor dem für Freitag erwarteten Urteil über Jürgen Harksen lautet, wer mehr Verantwortung trägt für Menschen, die sich für dumm verkaufen lassen: Sie selbst oder die Person, die sie mit Lügengeschichten reinlegen konnte?

Im Falle von Jürgen Harksen, der zwischen 1990 und 1992 drei Anleger um mehr als 36 Millionen Mark geprellt hatte, sah der Staatsanwalt gestern in seinem Plädoyer nur eine „eingeschränkte Berechtigung zu sagen, in ihrer Gier hatten die Opfer selbst schuld“. Denn Harksen habe sie mit immer neuen Legenden und „nicht nachlassender krimineller Energie“ zu immer weiteren Investitionen in sein angebliches Investment motiviert. Er beantragte deshalb, Harksen zu sechs Jahren Gefängnis zu verurteilen.

Dessen Verteidiger Gerhard Strate hingegen sprach in seinem Plädoyer die „Eigenverantwortlichkeit von Menschen“ an. Die Geschichten, die Harksen seinen Kunden aufgetischt hatte, seien offensichtlich „schlichter Spinnkram“ gewesen. Ein Investor habe tatsächlich an die unrealistische Gewinnerwartung von 9000 Prozent geglaubt. „Kann das noch Betrug sein?“ fragte Strate und beantwortete die Frage selbst: Nein. Er beantragte Freispruch.

Harksen hatte gestanden, die Anleger mit abenteuerlichen Geschichten und der Behauptung, selbst ein Vermögen von über einer Milliarde Mark zu besitzen, geprellt zu haben. Das Geständnis wertete die Staatsanwaltschaft als besonders strafmindernd, weil damit nicht zu rechnen gewesen sei: „Der Betrug ist Teil seiner Lebensgeschichte“, so der Staatsanwalt. Hätte Harksen seine Taten nicht eingeräumt, hätte der Ankläger für ihn neun Jahre Haft verlangt.

Obwohl er selbst auf Freispruch plädierte, erkannte auch Verteidiger Strate an, dass die nun von der Staatsanwaltschaft verlangte sechsjährige Haft eine moderate Strafforderung ist. Sollte das Gericht dem folgen und nicht auf eine längere Haftstrafe erkennen, so der Anwalt, würde Harksen das annehmen – und offensichtlich keine Rechtsmittel einlegen.

Auch Ehefrau Jeanette Harksen zeigte sich erleichtert über der Strafforderung der Anklage. Wegen Beihilfe zum Betrug hat die Staatsanwaltschaft für sie zwei Jahre verlangt – auf Bewährung, sodass sie nicht ins Gefängnis müsste. „Solange ich Bewährung bekomme“, vertraute sie anschließend einer Anwältin an, „bin ich happy“. ELKE SPANNER