Kunstschwund

Drei Expressionisten bringen den Ex-Direktor des Landesmuseums Oldenburg auf die Anklagebank. Von den verschollenen Grafiken fehlt jedoch noch immer jede Spur

Betrug oder Unterschlagung: Böse Worte sind das. Die wollen scheinbar so gar nicht ins schöngeistige Milieu passen. Und doch erhebt die Staatsanwaltschaft Oldenburg gegen den ehemaligen Direktor des örtlichen Landesmuseums genau diese Vorwürfe. Peter R. habe sich des Vergehens nach Paragraf 263 oder aber nach 246 des Strafgesetzbuches schuldig gemacht.

Heute nimmt das Amtsgericht den Prozess gegen ihn wieder auf (Az: 48 LS 7/03), diesmal vor der Großen Strafkammer: Nach dem ersten Verhandlungstag war der Fall zunächst wegen seiner besonderen Bedeutung ans Landgericht weiter gereicht worden. Doch das schickte die Akten zurück.

Drei Expressionisten haben Peter R. auf die Anklagebank gebracht: Ein weibliches Porträt von Ernst Ludwig Kirchner ist weg, „Rote Blüten“ von Christian Rohlfs fehlen auch, genauso wie die „Kniende am Stein“ von Erich Heckel. Wenn alles mit rechten Dingen zugegangen wäre, dann befänden sich die Grafiken heute in der Sammlung des Museums – gleichviel ob im Depot oder in der ständigen Ausstellung. Nur hat sie dort niemand je gesehen. Außer vielleicht Peter R., der längst weggezogen ist von seiner einstigen Wirkungsstätte, weg ins Unterfränkische, fernab von Oldenburg.

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft laufen seit dem Jahr 2000. Hausdurchsuchungen hat es gegeben. Allerdings: Sie blieben erfolglos. Denn gefunden wurden die Grafiken nicht. Weder bei Peter R. oder seinen Bekannten, noch bei anderen Verdächtigen. Ebenso wenig sind sie bei einer Auktion oder sonst irgendwo auf dem Kunstmarkt aufgetaucht: Sie bleiben spurlos verschwunden.

Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, der Museumsleiter habe seine Stellung ausgenutzt und sich die fraglichen Bilder unter den Nagel gerissen, stützt sich, so die Auskunft des Vorsitzenden Richters Walter Hofmeister, „hauptsächlich auf das Verzeichnis der Erbschaft Wulkow“. Deren Begünstigte war die Kulturinstitution: Die ganze Privatsammlung ging ans Landesmuseum für Kunst- und Kulturgeschichte – als Peter R. es leitete. Gegen den Angeklagten spricht daher, dass er die entsprechende Inventar-Liste gekannt hat. „Das ist unstreitig“, so Hofmeister. Auf 100.000 Euro beziffert sich der Schätzwert der verschwundenen Werke – kein Pappenstiel. Peter R. hätte also das Fehlen der Bilder auffallen, und er hätte es Alarm schlagen müssen: Doch nichts davon geschah. Im Zivilverfahren des Landes gegen Peter R., das für die Dauer des Strafprozesses ruht, ist das eine schwere Hypothek.

Im aktuellen Verfahren jedoch muss die Staatsanwaltschaft nachweisen, dass der Angeklagte die Kunstwerke auch tatsächlich privat verwertet hat. Was der Ex-Direktor bestreitet. Die von den Anklägern bis dato präsentierten Indizien „halten wir für unzureichend“, kommentiert sein Rechtsanwalt Hans-Herbert Coen. Erschüttern will man deren Darstellung durch neue Zeugen: So wird eine ehemalige Mitarbeiterin des Landesmuseums eigens aus Schottland eingeflogen. „Unser Ziel“, so Coen, „ist ein Freispruch.“

Benno Schirrmeister