Natur soll „planungssicher“ werden

CDU/FDP Landesregierung möchte 6.000 Stellen im öffentlichen Dienst einsparen. Besonders streichsüchtig ist der neue Umweltminister bei der Naturschutz-Behörde. Was Wunder: Die ist nämlich besonders unbequem

„Der Schutz der Natur ist kein Kann, sondern ein Muss in der Landesverfassung“

taz ■ Der neue niedersächsische Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) führte sich mit einem Paukenschlag ein. Noch nicht lange im Amt, witzelte er auf einer Veranstaltung in Hameln: Im Niedersächsischen Landesamt für Ökologie (NLÖ) säßen viele Chemiker und Biologen rum „und haben nichts zu tun“. Die wolle er als Lehrer in die Schulen schicken, so der Minister. Jetzt wurde der FDP-Spitzenmann im ostfriesischen Leer konkreter: „Das NLÖ wird verändert, aber wohl nicht abgeschafft.“ Als Countdown für ein neues NLÖ gab der Minister vor: „Zuerst gibt es eine Aufgabenkritik, dann legen wir fest, welche ökologischen Aufgaben der Staat noch erfüllt, welche privatisiert werden und welche wegfallen“, so Sander. Reformziel laut Sander: „Entscheidungsprozesse und Genehmigungsverfahren müssen beschleunigt werden, damit Planungssicherheit für Unternehmen herrscht.“

In einer groß angelegten Verwaltungsreform sollen außer bei Lehrern und Polizei in den nächsten Jahren bis zu 6.000 von insgesamt 180.000 Stellen in den öffentlichen Verwaltungen gestrichen werden – seit gestern ist eine dem Innenministerium angegliederten Kommission unter Staatssekretär Wolfgang Meyerding an der Arbeit.

Meinfried Striegnitz, Präsident des NLÖ, zieht alle Geschütze zusammen, um seine Behörde zu schützen: „Das NLÖ ist mit seinen insgesamt 470 MitarbeiterInnen in den letzten Jahren modernisiert worden. Die Ökologie betreffenden Verfahren werden in unserem Amt bundesweit mit am effektivsten organisiert. Unsere Aufgaben ergeben sich zum großen Teil aus nationalem oder europäischem Recht. Der Schutz der Natur ist kein Kann, sondern ein Muss in der Landesverfassung. Wer Aufgaben vom NLÖ wegnehmen will, sollte dann fair sagen, dass diese Aufgaben im Bereich des Naturschutzes, des Verbraucherschutzes und der Arbeitssicherheit politisch nicht mehr gewünscht sind.“

Das NLÖ ist schon lange ein Dorn im Auge der CDU und FDP. Es überwacht die radioaktive Strahlung der Atomkraftwerke, es kontrolliert die Ozonbelastung, untersucht Verschmutzungen von Boden, Wasser, Luft und lokalisiert deren Quellen. Im Umweltbericht 2002 bewertet das NLÖ den ökologischen Zustand Niedersachsens. So führte es die hohe Belastung niedersächsischer Gewässer mit Nährstoffen teilweise auf Einträge der Landwirtschaft mit ihrer Massentierhaltung zurück. Im Bereich des Arbeitsschutzes entwickelte das Landesamt verbindliche Auflagen für die Industrie.

Die Landesregierung unterzieht jetzt alle Ministerien und Behörden einer Aufgabenkritik, um über deren Zukunft zu entscheiden. Die den Landkreisen übergeordneten Bezirksregierungen werden derzeit schon aufgelöst. „In der Ökologie wäre es in Deutschland einzigartig, wenn das NLÖ aufgesplittert würde. Bis jetzt arbeitet in jedem Bundesland, bis auf die Stadtstaaten, eine NLÖ-ähnliche Behörde“, so NLÖ-Chef Striegnitz. Umweltminister Sander überraschte mit der Aussage, er wolle die Naturschutzverbände enger in die behördliche Arbeit einbinden. „Es hat erste Kontakte gegeben“, heißt es aus dem Umweltministerium. BUND und NABU bestreiten das. Sie sagen übereinstimmend: „Es hat nur Gespräche zum gegenseitigen Kennenlernen gegeben.“ NLÖ-Chef Striegnitz sagt: „Wir arbeiten heute schon eng mit außerbehördlichen, oft ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zusammen. Mehr einbinden können wir die nicht.“

Thomas Schumacher