Wegrationalisierte Menschen

betr.: „Hauptschüler werden geprüft“, taz vom 15. 11. 08

bildungsstandards und schönredereien unserer volksvertreter werden nicht helfen. auch ändert es nichts, dass man die statistiken fälscht und schönt: für mehr als 50 % der bevölkerung unseres reichen und fortschrittlichen landes gibt es keinen platz in der gesellschaft, weder im arbeitsleben noch sonst! wenn man sich als volksvertreter aber nur in der oberen schicht bewegt, verliert man eben den kontakt zur realität.

wenn man mittlerweile realschulabschluss und abitur braucht, um eine lehrstelle als schreinerin, friseurin oder verkäuferin zu ergattern, wo vor 20 jahren noch ein volksschulabschluss reichte, wird man wohl bald eine gentechnische errungenschaft brauchen, um bereits vorgeburtlich aus jedem neuen wesen einen ingenieur zu machen. dann werden wir eben lauter arbeitslose ingenieure haben. die berufe für einen großen teil der bevölkerung wurden wegen gewinnmaximierung wegrationalisiert.

wenn die wegrationalisierten menschen wüssten, dass sie inzwischen in der mehrzahl sind, würden sie vielleicht aufstehen und sich wehren. und sie würden vielleicht ihre eigenen mini-bäckereien, schreinereien, gemüseanbaugenossenschaften, lebensmittelläden usw. betreiben, wo dann all jene einkaufen, die auch wegrationalisiert wurden. und sie würden die läden und produkte der oberschichtspolitiker und rationalisierer und gewinnmaximierer boykottieren. grundeinkommen wäre da sehr hilfreich, deshalb nicht gern gesehen in unserer intelligenten gesellschaftsschicht. stattdessen werden sie systematisch kleingehalten und gehirngewaschen von zum beispiel über 30 verblödungskanälen rund um die uhr.

jeder mensch hat ein anrecht auf ein menschenwürdiges dasein und darauf, am leben der gemeinschaft und auch in der arbeitswelt teilnehmen zu können. ihnen das mit zynischen, arroganten und schlau dahergeredeten sprüchen zu verwehren, ist ein verbrechen an der menschlichkeit. ELKE GRÖZINGER, Wunstorf

Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von LeserInnenbriefen vor. Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der taz wieder.