Republikaner schießen sich auf Kerry ein

Doch der Vietnamveteran bietet wenig Angriffsfläche. Nun soll er als „Liberaler“ abgestempelt werden

WASHINGTON taz ■ Je deutlicher sich herauskristallisiert, dass John Kerry Gegenspieler von George W. Bush bei den Präsidentschaftswahlen wird, desto mehr schärfen die Republikaner ihre Munition, um ihn zu diffamieren. Ihr Ziel ist, dem Rivalen rasch ein negatives Images zu verpassen, bevor sich die Mehrheit der Amerikaner ins Wahlkampfgeschehen einschaltet.

Ursprünglich hatte sich das Weiße Haus auf Howard Dean eingestellt. Bushs Strategen frohlockten bereits über die leichte Beute. Mühelos hätten sie den Antikriegshelden als Linksradikalen brandmarken können. Der knorrige Senator aus Massachusetts verschwand dagegen fast von ihrem Radarschirm. Umso eifriger wird nun an seiner Demontage gearbeitet. Die Strategie: Kerry als Neuengland-Liberalen zu porträtieren. Dieses Etikett steht in den USA für sicherer „Loser“. Seit Kennedy gewann kein Demokrat aus dem Nordosten mehr die Wahlen. Zuletzt erlitt 1988 Michael Dukakis gegen Bush senior eine schmachvolle Niederlage. Den Konservativen gelang es damals, Dukakis als abgehobenen Intellektuellen ohne Bodenhaftung zu zeichnen.

Auch Kerry haftet der Makel des entrückten Senators aus wohlhabendem Haus an. Doch in den letzten Wochen setzte er sich geschickt sowohl hemdsärmelig als auch staatsmännisch in Szene. Angriffsfläche werden daher vielmehr seine 19 Jahre im Kongress sein, in der er eine liberale Spur hinterlassen hat. Er opponiert gegen die Todesstrafe, vertritt das Recht auf Abtreibung, macht sich für eine höhere Besteuerung von Öl stark und will Ökosünder stärker zur Kasse bitten. Die Republikaner werden es sich zudem nicht nehmen lassen, seinen Heimatstaat dafür zu geißeln, dass dieser jüngst die Homo-Ehe legalisiert hat.

Eine offene Flanke hat Kerry selbst geliefert, seit er in seinen Wahlkampf-Auftritten gegen den Einfluss des „Big Business“ in der Politik zu Felde zieht. Dabei kassiere er selbst reichlich Lobbyistenspenden. Doch die Republikaner werden sich hüten, dieses Thema zu strapazieren. Schließlich hat Bush wie kein anderer Präsident unverblümt um die Gunst der Großindustrie gebuhlt und sich ihr gegenüber als zuverlässiger Handlanger erwiesen. Auch die Elite-Schelte werden sie sich verkneifen. Zu viele Fallstricke lauern, will man den elitären Großbürger gegen den elitären Ölbaron ausspielen. Also bleibt die Hoffnung, Kerry als „Liberalen“ kaltzustellen.

Ob diese Rechnung im Wahljahr 2004 aufgeht, darf bezweifelt werden. Das Attribut „liberal“ steht in den USA gewöhnlich für „weichlich“. Doch genau das ist der Vietnamveteran Kerry nicht, und damit fängt das Problem für die Republikaner an. Stärker als sonst wird die kommende Wahl von der Außenpolitik bestimmt, vom Irak und Anti-terrorkampf. Hier ist Kerry mit seiner Militärerfahrung bestens platziert. Plötzlich ist Washington eine verdrehte Welt. Der selbst ernannte „Kriegspräsident“ muss sich von einem Liberalen als Drückeberger bezeichnen lassen, da dieser unter dubiosen Umständen der Einberufung nach Vietnam entging. Angestrengt grübeln die Bush-Strategen, wie man Kerrys außenpolitische Expertise konterkarieren kann. Mangelnden Patriotismus werden sie ihm vorwerfen, da er wiederholt Gelder für innere Sicherheit und das Milliardenpaket im Kongress für Besetzung und Wiederaufbau des Irak abgelehnt hat. Und sie werden ihm seinen Opportunismus im Irakkrieg um die Ohren hauen, da er sich vom Befürworter zum scharfen Gegner wandelte.

Sollten die Republikaner scharf schießen, könnte Kerry am Ende das L-Wort zücken und Bush attackieren, den Kongress in der Frage der irakischen Bedrohung belogen zu haben. Steht die Lüge im Raum, steuert die Schlammschlacht ihrem Höhepunkt entgegen. MICHAEL STRECK