Atombombe „Made in Germany“

Verschobenes Nuklearmaterial: Drei Deutsche sollen Bauteile für pakistanische Atombombe besorgt haben

KÖLN taz ■ Abdul Qadeer Khan wusste, auf wen er sich verlassen konnte. „Wenn ich etwas brauchte, hatte ich Freunde in England und in Deutschland“, verriet der pakistanische Atomwissenschaftler einem WDR-Reporter 1998. Das war das Jahr, in dem Pakistan seinen ersten Atomtest erfolgreich durchführte. Wesentliche Komponenten der Bombe waren „Made in Germany“. Wäre es nach Khan gegangen, könnten sich auch andere Länder über entsprechende deutsche Qualitätsarbeit freuen. Davon geht die Internationale Atomenergie-Agentur (IAEA) aus.

Khan war 25 Jahre lang Direktor der größten Urananreicherungsanlage Pakistans, der Khan Research Laboratories. Jetzt arbeitet die IAEA mit Behörden in mehr als einem Dutzend Ländern zusammen, um den Schmugglerring des „Vaters der islamischen Bombe“ aufzudecken, dessen Karriere in den 60er-Jahren mit dem Studium der Metallurgie in der Bundesrepublik begann. Dabei stieß sie auch auf mindestens drei Deutsche, die an der Weitergabe von pakistanischer Atomtechnologie an Iran, Libyen und Nordkorea beteiligt gewesen sein sollen. Dies bestätigte auch der pakistanische Außenminister Khurshid Mahmud Kasuri bei seinem Besuch in Berlin am Montag. Nach Informationen US-amerikanischer Geheimdienste sollen es sogar sechs Deutsche sein.

Es gibt allerdings noch keine genauen Angaben, um wen es sich konkret handelt. So nannten pakistanische Regierungsvertreter „Brummer“, „Liech“ und „Heinz“ als Namen von drei angeblichen deutschen „Mittelsmännern“. Laut Süddeutscher Zeitung, die sich auf Informationen von „westlichen Geheimdiensten“ berief, soll es sich dabei um den 80-jährigen Otto H., den 61-jährigen Gotthard L. und um Heinz M. handeln. Gesichert ist dies jedoch bislang nicht.

Heinz M., ein 1992 verstorbener Erlanger Kaufmann, stand über Jahrzehnte in engem Kontakt mit den Größen des pakistanischen Atomprogramms. Auch in der Zeit zwischen 1989 und 1991, als Khan angeblich dem Iran geholfen hat, soll er mit ihnen Geschäfte gemacht haben. Jetzt in Verdacht geraten ist Heinz M. auch, weil Iraner bei der Auflistung von Helfern auf einen „Heinz aus Deutschland“ verwiesen hatten.

Otto H. und Gotthard L., die die neuen Vorwürfe vehement bestreiten, arbeiteten früher beide bei Leybold-Heraeus. Das seinerzeit in Köln und Hanau ansässige Unternehmen sorgte bereits Mitte der 80er-Jahre für Schlagzeilen. Damals hatte es bei einer Firma in der Schweiz Teile für eine Uran-Anreicherungsanlage herstellen lassen und nach Pakistan zu schmuggeln versucht. 1986 beschlagnahmte der Schweizer Zoll in Basel drei für Pakistan bestimmte Autoklaven. Ende der 80er-Jahre beschäftigte sich auch ein Bundestagsuntersuchungsausschuss mit den undurchsichtigen Atomgeschäften der Firma. Der eidgenössischen Justiz genügte die Faktenlage schon 1987 zur rechtskräftigen Verurteilung von drei Managern der dortigen Partnerfirma. Das Verfahren hierzulande wurde indes jahrelang verschleppt. H. und L., die wegen der Pakistan-Geschäfte vor Gericht standen, wurden freigesprochen. Nach Ansicht von Außenminister Fischer handelt es sich denn auch um „Altfälle aus früheren Jahren“, die bereits strafrechtlich geahndet worden seien.

Unterdessen hat Nordkorea das Geständnis Khans über die illegale Weitergabe von Atomtechnologie an Pjöngjang als „glatte Lüge“ bezeichnet. In einer Erklärung warf das Außenministerium den USA vor, hinter den Enthüllungen Khans zu stehen, um einen Angriff auf Nordkorea zu rechtfertigen. „Das ist nichts als niederträchtige und grundlose Propaganda.“ PASCAL BEUCKER