Alle paar Minuten Tränen

Auf der Rechnung hatte Torben Wosik eigentlich niemand. Doch das störte den Spieler und Manager des TTC Frickenhausen wenig, er sicherte sich bei der Tischtennis-EM dennoch die Silbermedaille

Interview HARTMUT METZ

taz: Herr Wosik, nach den Erfolgen im Viertelfinale über Exweltmeister Jean-Philippe Gatien und im Halbfinale gegen Jörg Roßkopf standen Ihnen Tränen in den Augen. Selbst nach der 0:4-Niederlage im Finale gegen Samsonow war das nicht anders. Sie haben derzeit wohl nahe am Wasser gebaut.

Torben Wosik: Stimmt. Die Freudentränen kommen gerade alle paar Minuten. Es ist ja auch unglaublich, was in meinem Freundes- und Bekanntenkreis passierte. Ich habe über 100 SMS bekommen und bin pausenlos dabei, zehn zu löschen, um Platz für zehn neue zu schaffen. Das hat mich so gerührt. Auch wie ich hier im Finale gespielt habe, war traumhaft. Trotz der Niederlage.

Zumal sich der ehemalige Weltranglistenerste Samsonow wieder im Aufwind befindet, nachdem er Vater geworden ist.

Auf jeden Fall. Samsonow war absolute Weltklasse und wurde verdient Europameister. In dieser Form wird er im Mai bei der WM in Paris und auch 2004 bei Olympia eine große Rolle spielen.

Hätte es mit dem Vizeeuropameister im Einzel wenigstens in der Mannschaft zum EM-Gewinn gereicht, wenn Sie statt Roßkopf im Finale gegen Weißrussland gespielt hätten? Sie kamen nur im Viertelfinale gegen Jugoslawien zum Einsatz.

Nee. Ich hätte auch so aufgestellt. Unser Vorteil bestand darin, dass wir eine hinter Timo Boll beliebig auswechselbare Mannschaft hatten. „Rossi“ hat ja zumindest im Viertelfinale gegen den Weißrussen Jewgeni Schetinin gewonnen und gezeigt, dass er das prinzipiell kann. Schon deshalb war die Aufstellung richtig.

Wie fällt das Fazit der Familie Wosik aus? Ihre Frau Elke ist die derzeit erfolgreichste Bundesliga-Spielerin mit 18:4 Siegen im vorderen Paarkreuz und hoffte vergeblich, weitere Titel zu ihren vier EM-Siegen hinzuzufügen. Sie hingegen spielten in Frickenhausen unter Niveau mit 5:10 Punkten – und holten zwei Medaillen.

Elke spielte auch bei der EM zunächst richtig gut. Im Achtelfinale kam sie dann aber überhaupt nicht mit dem gegnerischen Aufschlag zurecht und schied aus.

Auch im Doppel mit Nicole Struse räumten ihr die Experten Chancen auf den dritten EM-Titel ein.

Im Doppel gibt’s da ganz andere Probleme; das könnte besser harmonieren. Die beiden sind eigentlich gut genug, um bei großen Turnieren Medaillen zu holen – aber da gehört noch mehr dazu.

Nicole Struse gilt nicht gerade als einfach.

Sie ist unglaublich kompliziert!

Wer hat die Hosen an, wenn Sie mit Ihrer Frau Mixed spielen? Dem Aktuellen Sportstudio erzählte Ihre Frau, dass sie während der Einzel von den Zuschauerrängen aus Aufschlagtipps gibt. Sie „hören wie ein kleines Kind“, sagte Ihre Gattin.

Wir haben beide die Hosen an – und wir reden im Mixed sehr viel. Im Einzel gegen Zoran Primorac hat mir Elke tatsächlich im gesamten siebten Satz die Aufschläge angezeigt, und ich habe exakt jeden Aufschlag so gemacht. Wir haben uns anschließend kaputt gelacht. Ihre Tipps helfen wirklich.

Wie bewerten Sie das deutsche Abschneiden bei dieser EM? In allen Wettbewerben hatte der DTTB Medaillenanwärter, doch nur die Herren erfüllten im Einzel mehr als die Erwartungen. Erstmals seit 1994 blieb der DTTB aber ohne Gold.

Ich finde das Abschneiden sehr positiv. Laura Stumper wäre ja fast ins Halbfinale gekommen, und ich wäre schon mit dem Achtelfinale sehr zufrieden gewesen. Ohne den Tod von Zoltans Vater und dessen Abreise hätte sein Doppel mit Timo gute Chancen auf die Titelverteidigung gehabt. Bei Timo erwarten die Leute nun, dass er jedes Turnier gewinnt. Das schafft jedoch kein einziger Weltranglistenerster in einer anderen Sportart!

Dank des Boll-Booms flimmerten in den vergangenen Tagen weit über 10 Stunden Tischtennis über den TV-Bildschirm.

Da hat sich einiges bewegt. Die Resonanz in Deutschland war Wahnsinn. Ich war am Samstag gar nicht darauf eingestellt, dass Johannes B. Kerner im Aktuellen Sportstudio plötzlich mit mir reden wollte.

Merken Sie als Manager des Bundesligisten TTC Frickenhausen ebenso den Aufschwung?

Beim Tischtennis passiert zu wenig drum herum. Die Zuschauer wollen mit Cheerleadern unterhalten werden. Das fehlt bei uns noch – auch wegen des Geldes. Wir kalkulieren schon knapp. Wenn sich ein, zwei zusätzliche kleine Sponsoren für 10.000 oder 20.000 Euro finden, können wir die Show in Zukunft auch bieten.

Die deutsche Nationalmannschaft scheint ein Hort der Linkshänder zu sein: Sie, Roßkopf, Boll. Sind Linkshänder die besseren Tischtennisspieler?

Nein. Die Rechtshänder spielen mit mehr Power, während die Linkshänder eher die Kreativeren sind. Dass das wie bei den Künstlern mit den Gehirnhälften zusammenhängt, spiegelt sich wohl auch im Tischtennis wider.

Sie selbst sind eigentlich Rechtshänder, spielen nur Tischtennis mit links.

In der Tat, ich kann mit der linken Hand keine Tomate in den Mülleimer werfen. Als ich mit drei Jahren von meinen Eltern gefragt wurde, mit welcher Hand ich Tischtennis spielen möchte, reckte ich die linke hoch – und bekam den Schläger da hinein.