Ein Gewinner im Energie-Monopoly

Als Wirtschaftsminister fädelte er die Degussa-Übernahme ein, jetzt darf er die Ruhrkohle AG managen: Werner Müller

Neues im Ruhrpott-Energie-Monopoly: Ab sofort darf Werner Müller wieder mitspielen. DER Werner Müller. Wenn auch auf der anderen Seite. Bis zum Herbst war Müller Bundesminister für Wirtschaft. Seit Kanzler Gerhard Schröder diesen Job aber einem Superminister zugeschanzt hat, war Müller nur noch Zuschauer. Jetzt hat ihn die Essener Ruhrkohle AG (RAG) zum neuen Vorstandsvorsitzenden berufen. Ende Mai wird er Karl Starzacher beerben, der „aus persönlichen Gründen“ um Ablösung bat.

Starzacher war auch mal Minister. Auch für die SPD. Allerdings in Hessen und für Finanzen. So persönlich dürften seine persönlichen Rücktrittsgründe nicht sein: Eigentlich läuft sein Vertrag bis Anfang 2005. Eigentlich hatte die Fachwelt den Rücktritt nicht erwartet. Es geht ja – eigentlich – auch um etwas anderes. Atom, Erdgas oder Kohle – in den nächsten zehn Jahren müssen 50 Prozent der deutschen Kraftwerkskapazitäten erneuert werden. Seitdem die Bundesregierung eine drastische Kappung der Steinkohle-Beihilfen bis zum Jahr 2005 beschlossen hat, ist die Zukunft des deutschen Steinkohlebergbaus – traditionelles Kerngeschäft der RAG – unsicher. Demnächst stehen Verhandlungen an, wie es nach diesem Stichtag weitergehen soll. Und da ist einer, der diese Verhandlungen bislang leitete, natürlich Gold wert. Nicht Müllers einziger Vorzug: Immer mehr hängt die Zukunft der deutschen Steinkohle von Entscheidungen aus Brüssel ab. Und mit der zuständigen Energiekommissarin Loyola De Palacio kann der 56-Jährige ganz gut.

Es sind denn auch die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat gewesen, die sich für Müller stark gemacht haben. Nicht nur dass der Zigarillo-Liebhaber exzellente Kontakte zum Bundeskanzler hat – Schröder ist Müller auch noch was schuldig. Als 1998 der designierte Wirtschaftsminister Jost Stollmann in letzter Minute absprang, der „Kanzler der Bosse“ plötzlich bosslos war, half Müller ihm aus der Patsche. Obwohl der promovierte Katholik nun eines wirklich nicht ist: Politiker.

Dennoch prägte Müller. Vor allem die deutsche Energiewirtschaft – ein Feld, auf dem sich der Exvorstand der Veba Kraftwerke Ruhr AG bestens auskennt. Müller liberalisierte den Strom- und Energiemarkt – wirtschaftsfreundlich, ohne Regulierungsbehörde. Müller schrieb dem Kanzler das Konzept des „sanften“ Atomausstiegs. Und Müller managte den ministeriellen E.ON-Ruhrgas-Deal.

Eine andere Mitspielerin des Energie-Monopolys – korrekter: Gegenspielerin, die bündnisgrüne Energiefachfrau Michaele Hustedt – bezeichnet die Berufung Müllers deshalb als „Belohnung“. Das Bundeskartellamt hatte die Fusion nämlich untersagt, eine Entscheidung, die Müllers Wirtschaftsministerium per Ministererlaubnis als obsolet erklärte. Erst dadurch wurde die RAG zu dem, was sie heute ist: Der Kohlekonzern gab seine Ruhrgas-Anteile an E.ON ab – bekam dafür im Gegenzug die Aktienmehrheit am Spezialchemiekonzern Degussa. Damit ist ein radikaler Umbau eingeleitet, den der Energiefachmann Müller jetzt leiten muss: Künftig wird mehr als die Hälfte des 20 Milliarden schweren RAG-Umsatzes aus der Chemie kommen. Neuland für Werner Müller: Der Steinkohlebergbau wird 2005 gerade mal noch ein Fünftel ausmachen. NICK REIMER