Verzwickelte Entscheidung

Wen schlägt der IG-Metall-Vorstand als Zwickels Erben vor: den Gestalter Berthold Huber oder den Kämpfer Jürgen Peters? Das hängt nicht nur vom vermuteten Ausgang der rot-grünen Reformbemühungen ab. Sondern auch von der Zukunft der Arbeit

von BEATE WILLMS

Die Lunte brennt. Heute muss IG-Metall-Chef Klaus Zwickel den anderen 40 Vorstandsmitgliedern der Gewerkschaft vorschlagen, wer ihn ab Herbst beerben soll: sein Stellvertreter Jürgen Peters, der jahrelang Bezirksleiter in Hannover war, oder Berthold Huber, Chef im Bezirk Baden-Württemberg. Wenn es stimmt, was gestern spät nach einer Vorbereitungssitzung mit den geschäftsführenden Vorstandsmitgliedern verlautete, wird Zwickel dabei mit einer Tradition brechen und seinen Vize übergehen.

Ob der Gesamtvorstand sich den Vorschlag Huber zu Eigen macht, ist allerdings fraglich – auch wenn Beobachter bislang eine „leichte Sympathie“ für ihn ausmachen. Weil die diesjährige Wahl für den 59-jährigen Peters die letzte Chance auf den Posten ist, befürchten Gewerkschafter, dass er bei der offiziellen Wahl auf dem Gewerkschaftstag im Oktober eine Kampfabstimmung erzwingen wird. Das würde einen Wahlkampf bedeuten, der die IG Metall mitten in der entscheidenden Auseinandersetzung um den Um- und Abbau des Sozialstaats lähmt.

Das größte Problem dürfte darin liegen, dass die Gewerkschaften sich auf ein gesellschaftliches Umfeld einstellen müssen, das noch vage ist. Das betrifft nicht nur die sozialen Reformen, sondern auch die Entwicklung in den Betrieben: Kehren sie zurück zum Taylorismus mit seinen kleinteiligen Arbeitsbeschreibungen und Verantwortlichkeiten, dann sind Kapital- und Arbeitnehmerinteressen klar: Die Gewerkschaften müssten sich auf Frontalangriffe einstellen und bräuchten eine unbeirrbare Persönlichkeit an der Spitze, die die Massen mobilisiert. Geht die Entwicklung jedoch weiter hin zur Projektarbeit, in der der Arbeitnehmer ein Ergebnis zu liefern hat, aber Arbeitszeit und -abläufe selbst gestaltet, gäbe es andere Konfliktlinien. Dann könnte ein Gestalter gefragt sein.

Auf den ersten Blick ist die Zuordnung klar: Peters gilt als Mann der klaren Worte, als Kämpfer, als linker Traditionalist. Tatsächlich ist der 59-jährige gelernte Maschinenschlosser, der seit 34 Jahren in der IG Metall arbeitet, ein hervorragender Rhetoriker, der keinen Streit mit der Politik scheut. Aber er erprobte mit Volkswagen auch die innovativen Modelle Viertagewoche und 5.000 x 5.000.

Huber dagegen erscheint als pragmatischer Intellektueller und Gestalter. „Es reicht nicht, das Spiel des anderen zu zerstören“, hat der 53-Jährige kürzlich erklärt. „Wer Erfolg haben will, muss ab und zu auch ein Tor schießen.“ Der gelernte Werkzeugmacher, der mit Mitte 30 ein Studium der Geschichte, Philosophie und Politik begann, ist seit 13 Jahren hauptamtlich bei der IG Metall.

Obwohl beide betonen, dass sie sich nicht auf den Gegensatz Klassenkämpfer und Reformer reduzieren lassen wollen, haben sie zuletzt ihre Kernkompetenzen herausgestrichen. Peters hat gegen die rot-grünen Abbaupläne der paritätischen Finanzierung der Sozialsysteme gekoffert, und Huber betont, man müsse vom „Betonkopfimage“ fortkommen. Hubers Politikstil ist Zwickel, der das Bündnis für Arbeit erfand, näher. An der Basis sieht das anders aus – und schon 1998 hatte die Gewerkschaftslinke Peters gegen Zwickels Wunsch zum Vize gemacht.

Wenig Hoffnung bietet ein mehrfach vorgeschlagener dritter Weg: Peters wird Chef und Huber Vize – mit dem Versprechen, den älteren in vier Jahren abzulösen. Allerdings dürfte sich der Gewerkschaftstag nicht einfach vorschreiben lassen, wen er wann zu wählen hat. Und daneben gibt es noch einen ganz menschlichen Grund: Peters und Huber können nicht miteinander und gehen sich lieber aus dem Weg.