Pentagon regiert Irak

Bei den Plänen für die Nachkriegsregierung führt US-Verteidigungsminister Rumsfeld Regie

aus Washington MICHAEL STRECK

Wiederaufbau und Verwaltung des Irak sind Sache der USA und nicht der UNO. Dies haben am Wochenende führende US-Politiker klargestellt. Pentagonchef Donald Rumsfeld und seine Hardliner planen, dass Exgenerale und ein ehemaliger CIA-Direktor in Bagdad herrschen und das Land nach ihren Vorstellungen formen. Sie wollen nicht nur eine Militär-, sondern auch eine Zivilverwaltung installieren. Die UNO wird zum Statisten degradiert, zuständig allein für humanitäre Hilfe. „Es ist nur natürlich, dass die Koalition, die Leben und Blut für die Befreiung Iraks gegeben hat, die zentrale Rolle übernimmt“, sagte Präsidentenberaterin Condoleezza Rice.

Die Übergangsregierung soll nach dem Willen von US-Präsident George W. Bush der ehemalige General Jay Garner leiten (siehe Artikel unten). Es wird erwartet, dass er und sein Mitarbeiterstab in den nächsten Tagen ihr Hotel in Kuwait verlassen und Quartier zunächst in der Hafenstadt Umm Kasr aufschlagen. Noch bevor Bagdad endgültig erobert ist, könnte Garner seine Arbeit als „Koordinator der Zivilverwaltung“ aufnehmen. Sein Sprecher erklärte: „Es gibt drei Säulen: Hilfe für die Bevölkerung, Wiederaufbau des Landes und die Bildung einer zivilen Verwaltung und Regierung.“

Garner ist eine umstrittene Figur. Bevor er Leiter der „Abteilung für Wiederaufbau und humanitäre Hilfe“ im Pentagon wurde, arbeitete er als Waffenhändler. Nach seiner Nominierung hagelte es Proteste. Seine Vergangenheit mache ihn ungeeignet für den Posten. „Dies ist ein gutes Beispiel für unsere Gleichgültigkeit gegenüber dem irakischen Volk“, kritisiert David Kirp von der School of Public Policy in San Francisco. Auch US-Menschenrechtsgruppen haben an Bush appelliert, Garner nicht einzusetzen. Dies sei ein „falsches Signal an den Irak“. „Garner ist ein Waffenhändler, kein Diplomat und Nahostexperte“, sagte Medea Benjamin von der Organisation Global Exchange.

Derart in der Schusslinie bemüht sich Garner um eine gute Figur. „Wir sind hier, um die Iraker zu befreien und mit einer Regierung zu versorgen, die den freien Willen des Volkes repräsentiert“, sagte er kürzlich. Er glaubt sogar, dieses Ziel in drei Monaten zu erreichen – eine illusorische Vorstellung, denkt man doch im Pentagon bereits laut über eine Besatzungszeit von zwei bis fünf Jahren nach. Dabei soll das Land, wie einst im Osmanischen Reich, in drei Provinzen aufgeteilt werden: Mossul, Bagdad und Basra. Vorrangiges Ziel ist dabei die Eliminierung der Funktionäre der Baath-Partei aus der Verwaltung. Wie am Wochenende bekannt wurde, sollen die US-Verwalter möglichst rasch die staatliche Ölindustrie des Irak privatisieren. Unklar ist weiterhin, wie die 23 existierenden Ministerien in Bagdad besetzt werden. Das Pentagon möchte gern den geschassten CIA-Direktor und Rechtsaußen James Woolsley auf den Posten des Informationsministers heben – einen Wusch, gegen den die CIA selbst Sturm läuft.

Auch im Außenamt herrscht Unmut über die imperialen Pläne des Pentagons. Die Beamten des von Rumsfelds Rivalen Colin Powell geführten Ministeriums beklagen, dass ihre Ministerkandidaten – meist altgediente Diplomaten und Nahostkenner – als „zu bürokratisch“ abgelehnt wurden. Beide Ministerien sind tief zerstritten über die künftigen Rollenverteilungen im Irak. Rumsfeld und sein Vize Paul Wolfowitz, wollen einige Exiliraker in Schlüsselpositionen einsetzen, so auch den Chef des Irakischen Nationalkongresses, Ahmed Chalabi (siehe nebenstehenden Artikel). Chalabi hatte vor wenigen Wochen mit Aufständen gegen ihre Besatzungstruppen gedroht, sollten Exiliraker nicht maßgeblich an der Bildung einer Übergangsregierung beteiligt werden.