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: Auch wenn die Koalitionsarmee siegt: Der Irakkrieg ist noch nicht vorbei

Der Zeitpunkt rückt näher, zu dem die USA den Krieg im Irak für gewonnen erklären werden. Kein Zweifel: Je schneller der Krieg vorbei ist, desto besser. Nur: Wann ist er denn vorbei? Das Regime Saddam Husseins verliert in rasender Geschwindigkeit die Kontrolle über den Irak, und mit der Feuerkraft der US-geführten Truppen im Rücken könnte mit Sicherheit bald eine neue Regierung installiert werden, möglicherweise sogar in Bagdad. Das Kriegsziel „Regimewechsel“ wäre dann erreicht. Ob sich diese Regierung, wie auch immer sie zusammengesetzt ist, je vom Makel einer durch die Okkupationsmacht eingesetzten Marionettenregierung befreien könnte, ist eine andere Frage.

 Aber der Krieg muss ja nicht aufhören, damit eine Seite den Sieg verkünden kann, sondern damit das Sterben und Leiden aufhören. Und wann das der Fall sein könnte, ist derzeit noch völlig unklar. Die US-Militärstrategie, unter Umgehung der Städte möglichst schnell auf die Regierungszentrale vorzurücken, um das Regime kollabieren zu lassen, scheint bislang aufzugehen. Aber selbst wenn US Marines es sich in allen Bagdader Präsidentenpalästen gleichzeitig gemütlich machen, heißt das nicht, dass der Krieg damit vorbei wäre. Für die US-Öffentlichkeit ist ein Feldzug zu Ende, wenn der Großteil der Truppen nach errungenem Sieg paradierend nach Hause kommen kann. Davon kann noch lange keine Rede sein: Bislang sind gerade einmal die Städte Umm Kasr, Kerbela und Basra einigermaßen sicher in den Händen der Invasionstruppen. Es sähe den USA zwar ähnlich, viel Geld für einen Krieg auszugeben, um dann das Land im Chaos zurückzulassen, sobald nur der Diktator vertrieben ist – aber dass das im Irak nicht geht, weiß auch Washington, das zudem weitergehende Ambitionen hat.

 So werden der Krieg und das Sterben noch eine Weile weitergehen. Nach den schnellen Vormärschen beginnt in der Hauptstadt und im Land der langwierige, unspektakuläre, aber nicht weniger tödliche Abschnitt des Krieges: der Kampf um die völlige Kontrolle. Der ist militärisch schwierig, politisch aber noch viel komplizierter. Zu viele tote oder gedemütigte Zivilisten sind genauso schädlich wie ein mystifizierter Saddam Hussein, der als untergetauchter Guerillaführer Widerstand organisiert. Und wie bekämpft man eigentlich ein zum Äußersten entschlossenes sterbendes Regime, ohne die Bevölkerung umzubringen? Hoffentlich hat der US-Planungsstab eine gute Idee. BERND PICKERT