Wider den Realitätswahn

Fesselnd oder langweilig: Daniel Roths stark surreale Bilderrätsel in der Galerie Jürgen Becker

Mitten in einer kargen Gebirgslandschaft öffnet sich der dunkle Schlund zur wunderbaren Welt von Daniel Roth. Eine Farbfotografie ist Ausgangspunkt der Werkgruppe Thermal Bath of the Naked Truth – Speaking Graves Forest, die Roth jetzt in der Galerie Becker installiert hat.

Die Arbeiten des 1969 geborenen Künstlers lesen sich wie verrückte Geschichten, die ein Beat-Poet im Drogenrausch ersonnen haben könnte. Um Agenten geht es, gespenstische Wälder und ein rumänisches Badehaus, auf dessen Briefpapier jemand Zeilen wie diese schreibt: „Da wir stets um einen reibungslosen Übergang von einem unserer Thermalwasserbecken in den Wald der sprechenden Götter bemüht sind, bitten wir um baldige Rückmeldung.“ Adressiert ist der Brief an einen „Herr Morhardt“. Doch wie soll sich Herr Morhardt zurückmelden? Und vor allem: Was hat es mit dem unterirdischen System aus Bunkeranlagen und Wäldern auf sich? Eine Bleistiftzeichnung hat Roth mit kurzen Anmerkungen versehen: „Talstadt unter Beton Schwarzwald“ ist da zu lesen – kaum zu glauben, dass es in einer so idyllischen Gegend eine unsichtbare Unterwelt geben soll. Noch eine andere Fotografie ist Teil der Werkgruppe, nämlich das Bild eines kommunistischen Denkmals, das Roth in Sofia fotografiert haben will. Von diesem Foto war bereits auf der Bleistiftzeichnung die Rede. Monument in Sofia steht dort, doch schon nach wenigen Minuten will man dem Künstler gar nichts mehr glauben.

Roth entwickelt ein unheimliches Spiel, in dem der forschende Betrachter Spaß haben kann - oder von dem er, je nach Stimmungslage, gelangweilt ist. Es ist das alte Verwirrspiel der Situationisten und Surrealisten, das Roth noch einmal vom Dachboden der Avantgardekunst holt.

Viele von Roths Bildideen sehen tatsächlich so aus wie das von den Surrealisten so gerne arrangierte Treffen verschiedener Realitäten an einem unmöglichen Ort. Das Ergebnis ist ein Zwischenstadium zwischen Realität und Fiktion. Unbegreiflich wirkt auch die Arbeit mit dem Titel Gortzak City, bestehend aus zwei Zeichnungen und einem Foto. Denn was hat der (fotografierte) Warteraum mit dem Stadtplan von New York City samt Telefonkabinen mit dem (gezeichneten) Schlafzimmer zu tun? Vielleicht kann man von den Kabinen aus im Schlafzimmer anrufen. Aber Moment: Da steht ja gar kein Telefon! Marc Peschke

bis 31. Mai, Di–Fr 11–18 Uhr, Sa 11–15 Uhr. Galerie Jürgen Becker, Admiralitätsstraße 71