Zahlen & Monarchen

Grazer Erfahrungen: Bremen braucht einen König

Fast 20 Millionen Euro gibt Graz als „Kulturhauptstadt Europas“ für Marketing aus – rund ein Drittel seines Etats. Diese Zahl hat die Delegation des „Arbeitskreises Kultur – Wirtschaft“ offenbar besonders beeindruckt.

Die Chefs von Kunsthalle, Weserburg, Bremer Theater und Shakespeare Company tummelten sich, zusammen mit drei Vizepräsides und einem Geschäftsführer der Handelskammer, in Österreich, um von den dortigen Erfahrungen zu lernen.

Man war sehr angetan: Vom Flughafen, dessen Tower mit einer Kultur-Schärpe geschmückt sei, vom „Kunsttaxi“ mit 12 Kulturprogramm-DVDs – und natürlich von den wirtschaftlichen Effekten. 50 zusätzliche Kongresse und 50 Prozent mehr Übernachtungen im Februar könne Graz verzeichnen, berichtete Kammer-Geschäftsführer Uwe A. Nullmeyer. Eine Studie des Wiener Instituts für Technologie- und Regionalpolitik prognostiziert den Übernachtungsanstieg fürs ganze Jahr zwar nur auf zehn Prozent, spricht aber von 36 Millionen Euro an Steuereffekten und 1.200 in der Steiermark geschaffenen Arbeitsplätzen.

In umgekehrter Richtung floss das Geld nicht ganz so reichlich: Fünf Millionen Euro wurden von der Wirtschaft erwartet, bisher sind aber nur 3,5 Millionen zusammengekommen – was zur Ablösung des Chefs der Sponsoring-Abteilung der „Graz 03“-GmbH führte. In welcher Größenordnung könnte sich die Bremer Unternehmen beteiligen? Für derartige Abschätzungen sei es noch „viel zu früh“, erklärt Nullmeyer.

Eine Erfahrung scheint die Bremer Delegation schon unmittelbar umsetzen zu wollen: Die Erkenntnis, dass ein starker Intendant mit Letztentscheidungsrecht von Nutzen ist. Der nämlich hatte sich in Graz unter 100 vorgeschlagenen Projekten für 15 zu realisierende entscheiden müssen – was zu einem klaren Profil geführt habe. Theaterintendant Klaus Pierwoß kommentiert: „Das sind fast monarchische Strukturen – was ich persönlich befürworte und gut nachvollziehen kann.“

Henning Bleyl