Contra: Platten ab!

Die Bürgerschaft hat sehr gewonnen, seit sie von ihrem Plattenfries befreit ist. Da sollte man die albernen Giebelchen doch auch gleich wegreißen

Der Bau wirkt plötzlich so transparent und klar gegliedert

Bremen erstrahlt im Frühlingsglanz. Das Auge schweift, freut sich, lässt sich von beschwingten Füßen über den frisch gepflasterten Marktplatz tragen und seufzt: Endlich. Endlich ist das Rathaus vom grellen MilkaLila befreit, ist doch herrlich. Dann reibt sich das Auge und sagt: Guck mal an, die Bürgerschaft ist ja eigentlich auch gar nicht so übel.

Der Bau wirkt plötzlich so transparent und klar gegliedert, strebt luftig in die Höhe – denn: Die ollen Reliefplatten sind ab. Befreit atmet die Bürgerschaft auf, endlich ihrer Einschnürung durch 15 altbackene Aluminiumquadrate entledigt. Von denen eines hässlicher war als das nächste.

Umso deprimierender ist die Aussicht, dass die nutzlosen Verschalungen Ende Mai wieder angeschraubt werden sollen. Ob man sie nicht vielleicht doch lieber, per Recyling, in den ewigen Rohstoffkreislauf rückführen sollte?

Selten war es so leicht, populistisches Banausentum mit sinnvollen Forderungen zu verknüpfen. Wenn immer wieder (vergeblich) verlangt wird, die Hochstraße vor dem Bahnhof abzureißen, weil sie wie ein „Brett vorm Kopf“ die Stadt zerreiße – warum befreit man dann nicht wenigstens die Bürgerschaft von ihrer horizontalen Last?

Nichts gegen „Kunst am Bau“ und dergleichen Beschäftigungsmaßnahmen. Aber in Bremen hat Bernhard Heiliger, Arno-Breker-Schüler und bundesrepublikanischer Staatsgießer, kein Meisterwerk hinterlassen. Nichts, was man für sakrosankt erklären müsste. Und nur, weil sich das Bonner Bundespräsidialamt, der Reichstag und etliche Ministerien für Heiliger-Werke entschieden haben, muss sich Bremen noch lange nicht mit geschmackloser End-Sechziger-Jahre-Ästhetik quälen.

Dass Wassili Luckhardt die Platten von vornherein mitkonzipiert hatte, macht die Sache nicht besser. Schließlich haben wir die Giebelchen auf dem Dach auch nur bekommen, weil die CDU das wollte. Und wie ist das Ergebnis? Furchtbar. Ein fauler Kompromiss, der dem Gebäude eine Verbeugung vor der historischen Umgebung abtrotzen sollte. Auch hier hilft nur: Konsequenter Rückbau.

Nun kann man nicht leugnen, dass die Platten tatsächlich eine konstruktive Funktion erfüllen: Sie hindern die Abgeordneten daran, aus den geöffneten Fenstern zu fallen. Aber da sich das Parlament ohnehin verkleinern muss, geht hier die politische mit der ästhetischen Lösung Hand in Hand.

Henning Bleyl