Ruhr blockiert das Hirn

Deutsche Top-Manager wissen, was sie besser machen müssen. Sie trauen sich nur nicht, sagt eine Studie. Das Ruhrgebiet schneidet darin schlecht ab

Wir haben uns wie Gulliver mit vielen kleinen Knoten festgezurrt, glaubt Wolfgang Clement

VON KLAUS JANSEN

Die gute Nachricht: Die deutsche Wirtschaft hat großes Wachstumspotenzial und unsere Unternehmenschefs wissen, wie sie effizienter arbeiten können. Die schlechte Nachricht: Es fehlt an Führungskonzepten, Kreativitätstechniken und bereichsübergreifendem Wissen und Denken, um dieses Potenzial abzurufen.

Dies ist das Ergebnis einer gemeinsamen Studie des Initiativkreises Ruhrgebiet, der Opel AG und dem Unternehmensberater Accenture zum Innovationsstandort Deutschland, die am Dienstag in Bochum vorgestellt wurde. Gemeinsam mit der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Management und Beratung (WGMB) befragten die Initiatoren deutschlandweit 211 Führungskräfte aus Industrie und Handel. Auf der Suche nach Innovation nach Bochum angereist war Bundeswirtschaftminister Wolfgang Clement. Seine Heimat schneidet im Vergleich mit anderen deutschen Ballungsräumen schlecht ab: Die Ruhrgebietsmanager haben laut Studie die geringste Veränderungsbereitschaft und fühlen sich von der Politik am zweitschlechtesten unterstützt. „Eine Selbsteinschätzung ist auch immer eine Mentalitätsfrage. Die Reviermenschen halten sich nicht immer für die tollsten, sie sind eher moderat“, kommentiert Eckhard Albrecht, Geschäftsführer des Initiativkreises Ruhr, das schlechte Selbstzeugnis.

Wolfgang Clement hält die Unzufriedenheit mit der NRW-Politik für ungerechtfertigt. „Wissen Sie, der Peer Steinbrück ist da so gepolt wie ich. Ich weiß, dass er sich um die Unternehmen kümmert.“ Was die Unternehmen besser machen können, glaubt Stephan Scholtissek zu wissen: „Auf jeden Euro Verwaltungsausgaben können 11,6 Cent gespart werden – das sind in Deutschland 40 Milliarden Euro pro Jahr“, rechnet der Sprecher von Accenture Deutschland vor. Vor allem in den Bereichen Einkauf, IT und Service sehen die befragten Manager Sparpotenzial. Ins Wörterbuch geguckt hat Scholtissek auch. Ergebnis: „Das Wort Besitzstandwahrung gibt es nur in der deutschen Sprache.“

Professor Dietmar Fink von der WGMB rät den Unternehmen, die Kompetenzlücken in diesen Bereichen zu schließen. Allerdings könne nicht jede Kompetenz an jedem Standort gleich gut ausgebildet sein. Neuester Vorschlag: „Unternehmen müssen mehr Netzwerke bilden“, sagt er. Deutschlands Manager fühlen sich überinformiert, die Politik arbeitet an einer Bildungs- und Forschungsoffensive. „Wir müssen 10 Milliarden Euro pro Jahr mehr aufwenden, um bei den Forschungsausgaben auf das Niveau der USA zu kommen“, sagt Wolfgang Clement. Zwei Drittel der Summe solle aber aus der Wirtschaft kommen. Außerdem: Deutschlands Berufseinsteiger seien zu alt, deshalb müsse früher eingeschult und die Schul- und Studienzeiten verkürzt werden. Auch die Überregulierung der Wirtschaft verhindere Innovation. „Die deutsche Volkswirtschaft erinnert an den Riesen Gulliver“, sagt Clement, „wir haben uns mit vielen kleinen Knoten festgezurrt.“ Um sich aus den Fesseln zu hoher Lohnnebenkosten zu befreien, sei ein Festhalten am Reformkurs notwendig. Parteiintern muss er dafür kämpfen, in Bochum gab es Applaus. Clement freut‘s: „Das ist eine Erholung im Vergleich zu dem, was in Berlin an Diskussionen los ist.“