gottschalk sagt
: Was bleibt, sind Regeln

CHRISTIAN GOTTSCHALK: Die Kolumne am Donnerstag

Was in all diesen lustigen Fernsehrückblicken auf die 80er Jahre unterschlagen wurde, ist, dass es neben der „Neuen Deutschen Welle“, total lustigen Haarfrisuren, Rubik‘s Cube, Karottenjeans und Nenas rotem Minikleid bei Jugendlichen, die sich mit Politik befassten, vor allem eins gab: Den festen Glauben an eine Apokalypse in absehbarer Zeit. Niemanden seiner Gäste fragte Oliver Geissen, ob er denn seinerzeit eher den atomaren Overkill erwartet hätte oder doch die langsame Vernichtung der Menschheit durch kombinierte Umweltkatastrophen.

Wer konnte damals damit rechnen, dass die Grünen die Welt retten würden? Im Rhein kann man wieder schwimmen, gefährlich ist allenfalls die Strömung. Die gewissenhafte Mülltrennung wird heute von grimmigen Hausmeistern und schmallippigen Nachbarinnen überwacht, die die Grünen zwar für Kommunisten halten, sich aber solch ein vor Regeln strotzendes Betätigungsfeld nie entgehen lassen würden. Schöpfung bewahren: Joghurtbecher spülen ist doch eher ein religiöser Kult denn eine ökologische Notwendigkeit.

Bei fortschrittlichen gesellschaftlichen Strömungen weiß man nie so genau, was sie erreichen. Mal mehr, mal weniger eben. Worauf man sich aber immer verlassen kann, ist, dass alles was an ihnen als spießig, repressiv oder kleingeistig interpretiert werden kann, auf jeden Fall seinen Eingang in die Mehrheitsgesellschaft findet. Sagt Gottschalk, der begabte Hobbysoziologe.

Die Frauenbewegung hätte vor 500 Jahren gewiss nicht damit gerechnet, dass 2004 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Kölner Ordnungsamtes durch Parks patrouillieren, um (meist männliche) Wildpinkler zu bestrafen. Nicht dass ich der Meinung bin, es sei das Recht eines jeden Mannes, sein Revier zu markieren, aber die Situation ist doch demütigend für alle Beteiligten. „Cobra 12 kommen, WP im Bereich Gebüsch, Zugriff!“ „Roger, Cobra 13!“

Unter dem Label „Umweltsünden“ verbietet die Stadt übrigens nicht nur Pinkeln, Zigarettenkippen wegschnipsen und Hundekot in Sandkästen. Auch das Durchsuchen von Abfallbehältern ist unter Strafe gestellt. Obwohl es sich ja eigentlich um nachträgliche Mülltrennung handelt. Ausgrenzung, jetzt auch mit blauem Umweltengel.