Bildungspolitik kennt keine Parteien mehr

In der Bildungspolitik sind die Unterschiede zwischen Bremer SPD und niedersächsischer CDU nicht groß, das ist das Fazit eines Kultusminister-Besuches in Bremen. Und beim Problem der Haupt- und Realschule steht Bremens CDU an der Seite der SPD

Aus Bremen Klaus Wolschner

Die Bremer CDU hat in den letzten Jahren ihren Koalitionspartnern von der SPD Zentimeter für Zentimeter eine Kurskorrektur in der Bildungspolitik abgerungen. Am Dienstag hatte sie Niedersachsens Bildungsminister Bernd Busemann eingeladen. Die Regie war klar: Die Bremer Christdemokraten wollten vorzeigen, wie unverwässerte christdemokratische Bildungspolitik aussehen könnte. Was Busemann vorzutragen hatte, unterscheidet sich aber kaum von dem, was man in Bremen inzwischen aus dem Munde des sozialdemokratischen Bildungssenators Willi Lemke erwartet. In den Kitas soll der bildungspolitische Auftrag ernster genommen werden als bisher, Grundschulen sollen durch Zensuren den Kindern deutlich machen, dass es um Lernleistungen geht. Am Ende der Grundschule trennen sich die Wege nach Begabung, die Orientierungsstufe ist ab Herbst 2004 abgeschafft. Für Gymnasiasten wird die Regelschulzeit um ein Jahr verkürzt, das Abi kommt nach zwölf Jahren.

Aber an einigen Punkten ist Niedersachsen doch weiter. Zum Beispiel ist – wie im rotgrün regierten Kiel – der Bereich Kindergarten dem Bildungsressort zugeordnet worden. Die Schulaufsicht sei „ein bisschen weggeschlafen“, formuliert Busemann. Niedersachsen hat beschlossen, nach dem holländischen Modell eine externe Schul-Inspektion einzuführen. In Holland stehen die Berichte über die Qualität der Schulen im Internet.

Niedersachsen hat – anders als Bremen – an den getrennten Haupt- und Realschulen festgehalten. Busemann hält wenig von der Integration zu einer Sekundarschule, formuliert das aber zurückhaltend, denn Bremens CDU-Bildungspolitiker Claas Rohmeyer ist in dieser Frage eher auf der Bremer SPD-Linie: Die Sekundarschulen solle man nicht „kaputtreden“, sagt er, die Integration mit den Realschulklassen sei ein Fortschritt zum Wohle der Hauptschüler.

Wilfried Stölting, engagierter Lehrer aus Bremerhaven, widersprach da energisch auf der CDU-Veranstaltung. Nach gründlichen Untersuchungen auch des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung funktioniert die Förderung unterschiedlicher Begabungen in einer Klasse („Binnendifferenzierung“) nicht, sagt er, weil die Lehrer überfordert sind. Auch den weniger Begabten sei dadurch nicht geholfen: Wie im Sport müsse auch in der Schule jeder die Chance haben, in seiner Liga einmal der Beste zu sein. Wer immer der Schlechteste ist, verliert die Motivation.

Vollkommen falsch ist nach Ansicht von Stölting daher auch der Ansatz, das Lerntempo in den Gymnasialklassen 5 und 6 zu bremsen, damit für gute Realschüler die Chance zum Quereinstieg bleibt. Wer das Abitur nach zwölf Jahren will, muss in der 5. Klasse ein „begabungsgerechtes Leistungsmilieu“ herstellen, sagt Stölting: Warum wird für gute Realschüler nicht die Möglichkeit eröffnet, in besonderen „Spätlese-Klassen“ das Abitur nach 13 Jahren zu machen?

Mit den Folgen der freien Elternwahl zur 5. Klasse hat Niedersachsen dieselben Probleme. Bremen hat gerade beschlossen, dass mindestens 50 Prozent der Kinder in Gymnasial-Klassen eine Gy-Empfehlung ihrer Grundschulen haben sollten. Das wird von der CDU nicht als Witz betrachtet, sondern als Fortschritt.

Der Blick nach Schleswig-Holstein würde da mehr helfen: Mit Eltern, die ihre Kinder an einer anderen Schulart als der empfohlenen anmelden wollen, wird da ein „verpflichtendes Beratungsgespräch“ vorgeschrieben. Und für alle Kinder mit besonderen Begabungen oder mit Lernproblemen müssen in der Schule „Lernpläne“ geführt werden.