berlinale szene Der Film im Realen

Flocken im Gesicht

Es ist schön, wenn der Mann an der Kasse laut und deutlich den Titel des Films ausspricht, für den man eine Karte kaufen will: „ ‚The Adventures of Iron Pussie‘ ist leider ausverkauft.“ Während des Films ist man dann oft in einem komischen Zwiespalt; einerseits berührt einen der Film meist nicht die Bohne, andererseits ist es superangenehm, morgens im Kino zu sitzen. Das Filmische passiert eher nach dem Film, wenn man gegen Mitternacht, das verwirrende Epos aus Hongkong noch im Kopf, mit dem Fahrrad nach Hause fährt, den nassen großen Schneeflocken entgegen, die im Näherkommen unscharf werden, bevor sie Gesicht und Haare erreichen. Bei Feuchtigkeit funktioniert der Dynamo nicht richtig, und es quietscht, wenn er sich am Reifen reibt. Zwei Nutten in der Kurfürstenstraße wischen vorbei. Man sieht nur ihre puppenhaften Sonnenstudiogesichter und denkt, dass ihnen die Bräune nicht steht. Ein paar Meter im Unscharfen verhandelt ein Mann mit einer Frau. Die Autos, denen man um diese Zeit begegnet, kann man an einer Hand abzählen. So viel zur Großstadt.

S. hatte gesagt, man träume doch immer davon, im Kreis um sich herumzugehen, um zu gucken, was man so macht. Man will also immer derselbe und ein anderer gleichzeitig sein und findet es schöner, sich beim Biertrinken zu beobachten, als selber ein Bier zu trinken. Das ist das autopoetisch-existenzielle Filmelement im Realen. DETLEF KUHLBRODT