Der spanische Taliban von Guantánamo

Hamed Abderraman war in amerikanischer Gefangenschaft und kehrt heute in seine Heimat zurück

So ein großes Empfangskomitee hatte Hamed Abderraman wohl nicht erwartet. Acht Polizisten reisten gestern in das US-amerikanische Gefangenenlager im kubanischen Guantánamo, um den 30-Jährigen in seine spanische Heimat zurückzubringen. Dort ist er mittlerweile als „der spanische Taliban“ bekannt. Die US-Armee hatte ihn im Februar 2002 in den Bergen von Tora Bora in Afghanistan verhaftet. Seiner Auslieferung nach Spanien waren monatelange Verhandlungen zwischen Madrid und Washington vorausgegangen.

Nach der Verhaftung wollten Hameds Eltern lange nicht glauben, dass es sich tatsächlich um ihren Sohn handelte, der da in Haft saß. Bis der spanische diplomatische Dienst dies bestätigte. Alle, die ihn kennen, beschreiben Abderraman als „normalen jungen Mann“, der immer nur im Sinn hatte, „einen Job zu finden“. Kein leichtes Unterfangen, wenn einer wie er aus dem armen Príncipe-Alfonso-Viertel kommt, wo die meisten der 30.000 Muslime in Ceuta, einer spanischen Garnisonsstadt an der nordafrikanischen Küste, leben.

Der sechste von neun Söhnen eines Hilfsarbeiters und einer Hausfrau hatte nicht einmal den Schulabschluss gepackt. Den holte er mit viel Mühe nach, als er 1994 seinen Militärdienst leistete. In den Jahren danach schlug er sich mit Gelegenheitsjobs durch und machte Kurse beim Arbeitsamt. Doch eine feste Anstellung bekam er nie. Zum Schluss hatte er sich gar bei der Gemeindepolizei beworben. Als auch daraus nichts wurde, verließ er Ceuta. Er gehe nach London, um dort Arbeit zu suchen, war das Letzte, was seine Familie und Freunde von ihm erfuhren, bis er sechs Monate später in Afghanistan festgenommen wurde. „Hamed ging aus Verzweiflung, weil er hier keine Zukunft hatte“, erklärte ein Freund gegenüber einer Zeitung.

Den Halt in seinem perspektivlosen Leben gab die Religion. Oft besuchte er Vorträge in einer der zahlreichen muslimischen Vereinigungen Ceutas. Doch niemand wäre auf die Idee gekommen, dass der brave Moscheegänger den „heiligen Krieg“ im Hindukusch aufnehmen könnte. Wie und wo er sich für die Al-Qaida-Camps in Afghanistan anheuern ließ, ist bis heute unklar.

Wenn Abderraman heute in Spanien ankommt, ist für ihn der Weg durch die Mühlen der Justiz längst nicht vorbei. Denn in Madrid wartet der durch das Pinochet-Verfahren zu internationalem Ruhm gelangte Richter Baltazar Garzón auf den jungen Ceuti. Er will ihn einmal mehr zu seinen Aktivitäten befragen. Der Ermittlungsrichter, der seit dem 11. September den radikalen Islamisten in Spanien auf den Fersen ist, will wissen, ob Abderraman Kontakt zu dem im November 2001 verhafteten mutmaßlichen spanischen Al-Qaida-Chef Eddin Barakat Yarkas hatte. Sollte sich dies bewahrheiten, wäre auch das Rätsel gelöst, wie Abderraman nach Afghanistan kam. Denn Barakat Yarkas war einer der Verantwortlichen für die Rekrutierung junger Muslime für Bin Ladens Terrorschule.REINER WANDLER