IRAK: DIE ANSCHLÄGE WOLLEN DIE IRAKISIERUNG DER BESATZUNG STOPPEN
: Zwischen Arbeit und Würde

Es ist eine ebenso typische wie brutale Form des Widerstands gegen eine Besatzung: Auch im Irak werden statt der eigentlichen Besatzungssoldaten jene „weichen Ziele“ angegriffen, die mit den Besatzern zusammenarbeiten – Polizisten, Armeeangehörige und die Interessenten an solchen Jobs. Dadurch wollen die Attentäter den Kontakt zwischen einheimischer Bevölkerung und ausländischer Armee unterbrechen und zugleich eine „Irakisierung der Besatzung“ verhindern.

Für die meisten Iraker ist es eine Frage der nationalen Würde, die Besatzung loszuwerden. Doch eine Arbeitslosigkeit von 60 Prozent zwingt viele zugleich, mit ihr zusammenzuarbeiten. Auch für die Drahtzieher sind die Attentate zweischneidig. Sie sind zwar einfach durchzuführen und treffen die Besatzung, doch laufen die Täter in Gefahr, sich von ihrer eigenen Gesellschaft zu entfremden. Hunderte toter Einheimischer stellen keine vertrauensbildende Maßnahme dar.

Im Irak stellt sich dabei noch zusätzlich die Frage, ob sie damit einen Bürgerkrieg heraufbeschwören. Bisher ist der so genannte Widerstand weitgehend auf Iraks sunnitische Gemeinde beschränkt. Ohne ein nationales Programm, mit dem sich auch Iraks Schiiten und Kurden identifizieren können, werden sich die Widersprüche verschärfen: nicht nur zwischen den kooperationswilligen Irakern und dem Rest ihrer Landsleute, sondern auch zwischen den ethnischen und religiösen Gruppen.

Diese Dynamik wird noch dadurch beschleunigt, dass die Polizei mehr und mehr damit beschäftigt ist, für ihre eigene Sicherheit zu sorgen, und ihren eigentlichen Aufgaben nicht nachkommen kann. Kriminalität und persönliche Sicherheit – das ist derzeit irakischer Konsens – werden als Hauptprobleme angesehen. Wenn die Polizei diese Sicherheit nicht garantieren kann, werden sich andere finden, die das Vakuum füllen: kurdische Peschmerga im Norden, schiitisch-islamische Kampfverbände im Süden und sunnitische Milizen im Zentralirak. Damit wären die Instrumente für das düsterste Szenario geschaffen: einen Bürgerkrieg, der das Land nach 20 Jahren Krieg und Sanktionen noch weiter ausblutet.

KARIM EL-GAWHARY