DIE PARITÄTISCHE FINANZIERUNG DES GESUNDHEITSWESENS IST EINE FIKTION
: Ein Name, viele Bedeutungen

Wie sieht sie aus, die Parität in der Finanzierung des Gesundheitssystems? Ist sie ein Betonklotz in der Sozialstaatslandschaft? Ist sie eine weise Dame, in der Rechten den Korb mit den Arbeitgeberbeiträgen, in der Linken den mit den Arbeitnehmerbeiträgen? Würde sie bei ungleicher Gewichtsverteilung umfallen und das Gesundheitswesen mit sich reißen? Ist die Parität ein Gefühl, ähnlich der Solidarität: dehnbar, übertragbar, je nach Fühlendem verschieden?

Fest steht: Jeder stellt sie sich anders vor. Gestern zum Beispiel Ver.di, die Großgewerkschaft: Parität ist essentiell, sagt Ver.di, ohne Parität geht gar nichts, Parität muss sein. Andererseits fordert Ver.di, dass sowohl der Kreis der Einzahler in die gesetzliche Krankenversicherung erweitert werden soll als auch die Art der Einkommen, von denen Kassenbeiträge abzuführen wären.

Also: Nicht mehr nur die Klein- und Mittelverdiener, sondern auch Beamte und Selbstständige sollen das allgemeine Gesundheitswesen bezahlen. Und nicht nur Lohn-, sondern auch Kapitaleinkünfte sollen dazu herangezogen werden.

Das ist gar keine dumme Idee, und sie wird auch in rot-grünen Kreisen diskutiert. Aber natürlich hat das mit Parität im Sinne einer hälftigen Finanzierung der Krankenkassenleistungen nichts zu tun. Die Union findet es übrigens sogar paritätisch, wenn der Arbeitgeberanteil erst mal eingefroren wird. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt sagt, die Privatisierung des Krankengelds sei keine Abschaffung der Parität, weil ja die Arbeitgeber für die ersten sechs Wochen Krankheit auch allein aufkommen.

Parität ist eine Fiktion. Der Arbeitgeber berechnet die Kosten pro Arbeitnehmer sowieso als Ganzes, also inklusive Arbeitgeber- wie Arbeitnehmeranteil. Diese Gesamtkosten muss der Arbeitnehmer also erwirtschaften, sonst droht sein Job zu entfallen. Fiktionen dienen oft dem Verständnis schwieriger Sachverhalte. Die Fiktion der Parität dient in der Debatte um Gesundheitsreform jedoch ausschließlich als Nebelbombe. Man sollte das Wort vorläufig überhören. ULRIKE WINKELMANN