„Wir brauchen die UN nicht“

Das Pentagon hält die Vereinten Nationen im Nachkriegs-Irak für irrelevant. Moderatere Positionen vertreten Bush und Blair vor der Presse

aus Dublin RALF SOTSCHECK

Es war fast eine Siegeserklärung. Auf der Pressekonferenz im nordirischen Hillsborough sagten US-Präsident George Bush und der britische Premierminister Tony Blair, dass man den „Krieg um die Herzen und Köpfe der Menschen im Irak“ gewonnen habe. „Wer die Freude in den Gesichtern der Menschen in Basra gesehen hat, weiß, dass es ein Befreiungskrieg war, und kein Eroberungskrieg“, sagte Blair. Ob Saddam noch am Leben sei, wisse er nicht, sagte Bush und fügte hinzu: „Ich weiß nur, dass er seine Macht verliert.“

Wichtigster Punkt bei den Gesprächen in Nordirland war die Nachkriegsordnung im Irak – und die Rolle, die die Vereinten Nationen dabei spielen werden. Blair wünscht sich einen starken Part für die Vereinten Nationen, damit er das gestörte Verhältnis innerhalb der Europäischen Union flicken kann. Das Pentagon hält die UN dagegen für irrelevant. „Wir brauchen die UN nicht“, sagte ein Sprecher.

Annan reist nach Europa

Bush und Blair versuchten gestern, das umstrittene Thema durch allgemein gehaltene Formulierungen zu umschiffen, denn es birgt noch immer das gleiche Konfliktpotenzial wie vor dem Krieg. Beide Regierungschefs betonten, dass die UN eine „wichtige Rolle“ im Nachkriegsirak spielen werden. Auf Nachfrage erklärte Bush: „Eine wichtige Rolle ist eine wichtige Rolle. Die UN sind eine Kraft, die den Menschen im Irak helfen wird zu leben, sei es durch Lebensmittel, Medizin oder andere Hilfsgüter.“ Außerdem dürfe die Organisation Personalvorschläge für die irakische Übergangsregierung machen. Blair betonte, dass es gar nicht darum gehe, ob der Irak „von den Koalitionskräften oder den UN regiert“ werde. „Letztlich muss der Irak vom irakischen Volk regiert werden“, sagte er.

UN-Generalsekretär Kofi Annan hatte sich am Montagabend noch optimistisch über die UN-Rolle im Nachkriegsirak geäußert. „Eine UN-Beteiligung sorgt für eine Legitimation, die wichtig ist für das Land, für die Region und für die Menschen in der ganzen Welt“, sagte er. Heute bricht Annan zu Gesprächen mit Blair nach Großbritannien auf, danach stehen Russland, Frankreich und Deutschland auf dem Programm.

Fahrplan zur Demokratie

Es ist eine kosmetische Übung. Was im Irak geschehen wird, steht fest, daran ließen Bush und Blair keinen Zweifel: Zunächst wird das Pentagon die Regierung übernehmen, bis einer Übergangsverwaltung aus Exil-Irakern und einheimischer Opposition die Verantwortung übertragen wird. Diese Interimsregierung von Gnaden der USA soll im Amt bleiben, bis die Demokratie Einzug hält und sich das irakische Volk eine eigene Regierung wählt. Dafür gibt es keinen Zeitplan. Britische und amerikanische Soldaten werden jedenfalls „keinen Tag länger als notwendig“ im Irak bleiben, sagte Blair.

Auf der Tagesordnung standen beim Gipfel in Hillsborough gestern außerdem der Nahe Osten und Nordirland. Auch das war nicht viel mehr als Kosmetik. Bush sagte, durch den Sturz Saddams sei eine Gefahr im Nahen Osten gebannt. Er setze sich dafür ein, dass Israel und Palästina eines Tages in Frieden nebeneinander existieren können. Blair fügte hinzu, dass der nordirische Friedensprozess als Vorbild für den Nahen Osten gelten könne. Blair und sein irischer Amtskollege Bertie Ahern, der zu den Gesprächen hinzugestoßen war, kehren morgen nach Nordirland zurück, um den Parteien eine Vorschlagsliste vorzulegen, der diese zustimmen müssen, wenn das im Oktober suspendierte Belfaster Regionalparlament noch vor den Wahlen am 29. Mai wieder eingesetzt werden soll.