Plünderungen in Basra

Nach dem Einrücken der britischen Soldaten bereichern sich die einen, während andere Angaben über Folterer oder Vermisste suchen. Nun soll eine neue lokale Verwaltung aufgebaut werden

BERLIN/BASRA taz/dpa ■ Kaum hatten die britischen Truppen weitgehend die Kontrolle von Basra übernommen, stand Wamid Kadem auch schon vor dem geräumten „Büro für öffentliche Sicherheit“, dem berüchtigsten politischen Gefängnis der südirakischen Stadt. Kadem kannte das Büro gut, schließlich war er hier dreimal inhaftiert, wie er gegenüber der Washington Post berichtet. Im Jahr 2000 wurde er gar zu zwanzig Jahren Haft verurteilt, im vergangenen Jahr aber im Rahmen einer Amnestie freigelassen. Ihm wurde vorgeworfen, er sei Anhänger einer schiitischen Oppositionsgruppe, die im Iran sitzt. Jetzt sucht er in den Unterlagen Fotos, die während seiner Folterungen aufgenommen wurden sowie Informationen über den Leiter des Büros, den er nur als „Mahdi“ kennt.

Ein anderer Mann, der seinen Namen gegenüber der Post nicht nennen wollte, sucht nach Unterlagen über seinen Bruder, der vor elf Jahren festgenommen wurde. Er verstaut einen dicken Sack voller Dokumente auf seinem Fahrrad. Die werde er später lesen, um nach Hinweisen zu suchen, sagt er.

Andere Einwohner Basras nutzen die Gunst der Stunde, um ihrer Wut auf Saddam Hussein freien Lauf zu lassen oder auch schlicht, um zu plündern. Wahrzeichen des Regimes wurden zerstört, das Gebäude der staatlichen Ölgesellschaft geplündert und in Brand gesteckt, ebenso eine Bank.

Aus öffentlichen Gebäuden wurde alles weggetragen, was nicht niet- und nagelfest war. Möbel, Schreibmaschinen, ein Klavier, Benzinkanister, Metallstangen und Bretter wurden weggeschleppt. Manche der Plünderer winkten dabei den britischen Soldaten freundlich zu, die sie gewähren ließen.

„Verurteilen sie uns nicht dafür“, sagt einer der Plünderer gegenüber einem britischen Reporter. „Wir hatten nichts seit so langer Zeit, und jetzt müssen wir uns nehmen, was wir eben können.“ Er holt sich Teile einer Klimaanlage aus seiner ehemaligen Universität. „Es ist so heiß, und wir haben keine in unserem Haus“, entschuldigt er sich für den Diebstahl.

Der britische Generalmajor Peter Wall hat Verständnis für die Menschen und findet es in Ordnung, das die britischen Truppen in der Stadt angesichts der Plünderungen beide Augen zudrücken. „Das ist eben die erste Reaktion der Menschen nach zwanzig Jahren Unterdrückung“, sagt er. Auch der britische Militärsprecher Al Lockwood meint, die Leute würden nach der Befreiung erst einmal „Dampf ablassen“. Aber „das kann ganz schnell wieder zu Ende sein“. Inzwischen haben die Briten ihre Patrouillen verstärkt.

Die Soldaten sind derzeit damit beschäftigt, noch vorhandene Widerstandsnester oder Scharfschützen aufzuspüren. Außerdem sind sie dabei, eine lokale Verwaltung einzurichten. Der britische Militärsprecher Chris Vernon sagte gestern, man habe mit einem örtliches Stammesführer Kontakt aufgenommen. Der Scheich werde ein Verwaltungskomitee bilden. Dabei habe er freie Hand. Außerdem bemühen sich die Soldaten um die Wiederherstellung der Trinkwasserversorgung. B.S.