Vom Basta-Kanzler zum lieben Alpha-Tier

Gerhard Schröder räumt Schwächen ein und berichtet über „eine gewisse Traurigkeit“. Die Partei dankt ihm mit Ruhe

BERLIN taz ■ Ruhe. Gelassenheit. Keine weiteren Rücktrittsdrohungen. Keine Reformkritiker, die schimpfen. Das ist es, was sich das neue Führungsduo wünscht. Gestern ging der Traum von Gerhard Schröder und Franz Müntefering wenigstens für ein paar Stunden in Erfüllung.

Superminister Wolfgang Clement verzichtete darauf, näher auszuführen, ob und wann er sein Amt als Parteivize abgeben möchte. So blieb es den Medien überlassen, weiter darüber zu spekulieren, was Clement am Dienstag mit dem Begriff „zurzeit“ gemeint hatte. Das ist nicht halb so schädlich, als wenn es Parteifreunde tun. Und am schönsten für Schröder/Müntefering: Die SPD-Politiker, die bis gestern Abend an die Öffentlichkeit gingen, äußerten sich ganz im Sinne des sozialdemokratischen Gemeinwohls.

SPD-Vize Ute Vogt sprach sich für ein Ende der parteiinternen Personal- und Reformdebatten aus. Diese „helfen nur dem politischen Gegner“, sagte Vogt der Berliner Zeitung, die jene Rücktrittsgedankenspiele Clements, die für so viel Aufregung sorgten, publik gemacht hatte. Auch Hubertus Heil, Sprecher des „Netzwerks“ aus rund 40 jüngeren SPD-Bundestagsabgeordneten, rief dazu auf, mit dem „Gequake“ um einen Kurswechsel und eine Kabinettsumbildung endlich aufzuhören.

Das Verhalten Clements wolle er „lieber nicht kommentieren“, sagte ein Funktionsträger aus der SPD-Fraktion der taz, „sonst müsste ich schimpfen“. Ähnlich geht es offenbar den Vertretern des rechten SPD-Flügels vom „Seeheimer Kreis“, die ihre Kritik an dem Führungswechsel an der Parteispitze nicht laut formulieren, aber diskret durchsickern lassen. Schröders Rücktritt vom Parteivorsitz und die Nominierung des Altlinken Klaus Uwe Benneter für das Amt des Generalsekretärs sei bei den „Seeheimern“ auf große Skepsis gestoßen, setzten sie in die Welt.

Schröder selbst hat die SPD-Fraktion zur Vorsicht gegenüber Zeitungen der Axel Springer AG gemahnt. „Die wollen uns kaputt machen.“ In der neuen Zeit hingegen zeigt sich Schröder von seiner weichen Seite. „Am letzten Freitag verspürte ich eine gewisse Traurigkeit“, gestand der Kanzler. Ungewohnt offen räumte Schröder ein, Fehler gemacht zu haben: „Ungeduld mit der Partei gehörte schon zu meinen Schwächen.“

Arbeitet da einer an einer Imagekorrektur? Der Kanzler, der meist durch Machtworte auffiel, erklärt seinen Machtverzicht so: „Ein Alpha-Tier zeichnet sich dadurch aus, dass es nicht mit dem Kopf durch die Wand will. Denn dann gewinnt nur die Wand.“ Ein Alpha-Tier möchte Schröder also bleiben, aber ein liebes. Fragt sich nur, wie lange ihm das gelingt. LUKAS WALLRAFF