Stolpe wünscht sichere Maut-Einnahmen

Verkehrsminister hält Toll-Collect-Vorschlag für inakzeptabel: Konsortium soll entweder für jede weitere Verschiebung voll haften oder Konkurrenten einbinden, deren Mautsystem bereits funktioniert. Viele Druckmittel besitzt Stolpe jedoch nicht

AUS BERLIN MATTHIAS URBACH

Das Maut-Konsortium habe drei Kernforderungen der Regierung erfüllt, verkündete Verkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) noch Ende Januar zufrieden. Der Optimismus ist verflogen. Gestern erklärte Stolpe, seine Geduld mit Toll Collect sei am Ende. Nach genauerer Lektüre der Vorschläge der Maut-Betreiber zum endgültigen Start der Maut in zwei Stufen – einer Lightversion ab 2005 und der vollständigen ab 2006 – meinte Stolpe: „So wie es vorgestellt worden ist, geht es nicht.“

Es sind die vielen kleinen, hakeligen Details, die ihn so verärgern, dass der zurückhaltende Minister sogar einen „Hauch von Unverschämtheit“ diagnostiziert. Toll Collect habe praktisch eine Wunschliste aufgetischt – mit „sehr steilen Forderungen“, die nach geltendem Vergaberecht gar nicht zulässig seien.

Jetzt sind es drei Bedingungen des Maut-Konsortiums unter Führung von DaimlerChrysler und Deutsche Telekom, die Stolpe vor allem stören: Erstens will Toll Collect sein Schadenersatzpflicht auf 500 Millionen Euro pro Jahr begrenzen. Das ist zwar mehr als bisher, angesichts von 180 Millionen Euro Ausfällen pro Monat, in denen das System nicht läuft, aber dürftig.

Stattdessen will Toll Collect ab 2005 lediglich für Einnahmeausfälle in Höhe der bisherigen Eurovignette geradestehen – also 40 Millionen Euro monatlich. Zudem verlangt das Konsortium nun seinerseits ein Kündigungsrecht. Sollte das System bis Mitte 2006 nicht funktionieren, möchte die Firma aussteigen dürfen. Bislang gilt ein Werkvertrag: Das heißt, Toll Collect muss fertig werden, egal wie lange es dauert. Drittens will Toll Collect bei der Genauigkeit des Systems Abstriche machen. Bislang wurde garantiert, 99 von 100 Lkws akkurat zu erfassen. Nun will man sich bis zu fünf Fehler pro 100 Laster gönnen. Dann aber, fürchten Stolpes Juristen, wären Mautbescheide für Lasterfahrer nicht mehr gerichtsfest.

Solche Klauseln, sagte Stolpe gestern, „würden uns vertragsrechtlich in eine böse Lage bringen“. Der Vertrag wäre gegenüber der Ausschreibung so aufgeweicht, dass die unterlegenen Wettbewerber sich mit guten Aussichten einklagen könnten.

Stolpe will jetzt die Einnahmeausfälle von 2,8 Milliarden bis Ende 2004 „voll geltend machen“. Damit gibt sich der Minister härter als vor zwei Wochen, wo ihm zumindest die Höhe des versprochenen Schadenersatzes noch nicht aufstieß. Am Freitag wird es zu einem Spitzengespräch zwischen Ministerium und Toll Collect kommen. Dann werde man sehen, ob das Konsortium auf die Wünsche des Ministeriums eingehe, sagte Stolpe – „oder wir müssen uns trennen“. Spätestens Anfang März will er ein Ergebnis haben.

Der größte Wunsch Manfred Stolpes ist dabei „Sicherheit“ über die Einnahmen. Entweder solle Toll Collect die vollen Ausfälle ab 2005 bezahlen oder einen „industriellen Partner“ hinzuziehen, der eine funktionierende Zwischenlösung aufbaue. Dabei kämen Autostrade oder Fela in Betracht, die in Österreich beziehungsweise der Schweiz bereits weniger ausgeklügelte, aber funktionierende Systeme betreiben.

Juristisch argumentiert Stolpe mit der „Schadensminimierungspflicht“, die jeder Vertragspartner bei einem Fehler hätte. „Wenn mein Neuwagen ständig in der Werkstatt steht, dann habe ich Anspruch auf einen Ersatzwagen“, erläutert ein Sprecher. Doch es ist unwahrscheinlich, dass Toll Collect bei der Konkurrenz eine Zwischenlösung einkaufen wird. Auch der volle Schadenersatz ist für das Konsortium, das bereits 700 Millionen Euro investiert hat, nur schwer zu schultern.

Warum sollte Toll Collect auch nachgeben? Viele Druckmittel hat die Regierung nicht. Denn alle – auch die Opposition – sind sich einig, dass ein Kündigung der Verträge die schlechteste Lösung wäre. Bis ein neues System ausgeschrieben und errichtet wäre, vergingen mindestens 36 Monate – falls diesmal alles klappt. Bis dahin fehlen im Bundeshaushalt dann sieben Milliarden Euro.