Autorität ! Autorität ! Autorität !

„Der Staat muss gegenüber Terroristen Autorität zeigen, wenn er den Frieden erreichen will“, sagt Uribe

VON INGO MALCHER

Seine Botschaft lautet: Stärke. Sein Lieblingswort: Autorität. Was wird der Staat unternehmen, um Massaker an der Zivilbevölkerung zu verhindern? „Es hilft nur: Autorität, Autorität, Autorität.“ Oder: „Der Staat muss gegenüber Terroristen Autorität zeigen, wenn er den Frieden erreichen will.“ Álvaro Uribe ist seit 30 Monaten Präsident in Kolumbien und setzt auf Krieg gegen den Bürgerkrieg. Von den USA wird er in seinem Feldzug gegen die Guerilla und den Drogenhandel unterstützt. Aus Europa kommt Gegenwind.

So etwa vergangenen Dienstag im Europa-Parlament in Straßburg, wo Uribe anlässlich seiner Europa-Reise Station machte. Als er zum Rednerpult schritt, verließ über die Hälfte der Abgeordneten den Saal. Viele hatten weiße Fahnen in der Hand, auf denen stand: „Friede und Demokratie in Kolumbien“. Auch die EU-Kommission gab dem umtriebigen Präsidenten einen Korb: Die EU wird in Brüssel keine Geberkonferenz für Kolumbien abhalten.

Uribe auf Goodwilltour durch Europa, das ist harte Arbeit für den Präsidenten. Anders in Kolumbien, wo er kaum zivile Opposition kennt. Ohne Widerstand beschränkt er die Bürgerrechte, erweitert die Aufgaben des Militärs und versucht die Farc-Guerilla nach fast 40 Jahren Bürgerkrieg militärisch zu schlagen. Die Folgen sind fatal. Zivilisten geraten zwischen die Fronten, 2,5 Millionen Kolumbianer leben inzwischen im eigenen Land als Kriegsvertriebene, nur im Sudan und im Kongo gibt es mehr Binnenflüchtlinge.

Trotzdem hegt Uribe weitere politische Ambitionen. Bislang mussten kolumbianische Präsidenten nach einer Amtszeit abdanken. Aber Uribe scheint sich im Präsidentenpalast wohl zu fühlen. Derzeit liegt den Abgeordneten ein Entwurf vor, der die Amtszeit des Präsidenten auf zwei Wahlperioden verlängern soll.

Doch dazu muss er Erfolge vorweisen können. Daher pflegt er seit vorigem Jahr offiziell Kontakte zu den ultrarechten Paramilitärs (AUC). Sein Ziel: ein Friedensabkommen mit den rechten Freischärlern. Bis Ende 2005 will Uribe alle 17.000 Kämpfer der Paramilitärs entwaffnet haben – so weit seine Idee.

Bislang ist der Friedensprozess allerdings nicht mehr als eine Reihe von Pannen. Es war Anfang November vergangenen Jahres, als die ersten 800 Freischärler in Medellín ihre Waffen abgaben und ein dreiwöchiges Training in Sachen Menschenrechte und Demokratie absolvierten, ehe sie als Staatsbürger wieder in die Gesellschaft integriert wurden.

Einziger Schönheitsfehler: Über die Hälfte der 700 entwaffneten Kämpfer sind von der Staatsanwaltschaft per Haftbefehl gesucht. Ihnen werden Massaker an der Zivilbevölkerung, Mord und Diebstahl vorgeworfen. Doch die Haftbefehle wurden nicht vollstreckt. Ein Gesetz ermöglicht es dem kolumbianischen Präsidenten in solchen Fällen, Angeklagte zu begnadigen. Nach Informationen der taz wurde der Begnadigungsprozess zumindest in einigen Fällen eingeleitet.

Der Erfolg der Verhandlungen zwischen Regierung und Paramilitärs hängt vor allem davon ab, ob es gelingen wird, die rechten Warlords vor dem Gefängnis zu bewahren. Die Regierung sucht fieberhaft nach Alternativen zu Haftstrafen und prüft derzeit eine Art regionalen Arrests. Verurteilte dürften dann ihre Heimatstadt für bestimmte Zeit nicht mehr verlassen.

Im Büro des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte (UNHCHR) in der Hauptstadt Bogotá lösen solche Ideen Entsetzen aus. Der örtliche Vertreter warnte vor einer Amnestie für die Milizen. Dies würde bedeuten, dass Verantwortliche für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschenrechte „straffrei davonkommen“.

Ein weiteres Problem der Entwaffnung: Bislang haben nur die unteren Paramilitär-Chargen ihre Waffen abgegeben. Kurios dabei: Die im November in Medellín entwaffneten Paramilitärs wurden von den rechten Warlords erst Monate zuvor rekrutiert. Sie gehörten überhaupt nicht zur Struktur der Organisation, sondern waren Mitglieder normaler Diebesbanden. Dafür konnten sie nach ihrer angeblichen Entwaffnung ein Überbrückungsgeld kassieren. Die Rädelsführer der Organisation hingegen schultern nach wie vor die AK-47 und tragen die olivgrüne Uniform. Sie sind trotz der von ihnen verkündeten Feuerpause und den Friedensgesprächen aktiv.

Erst vor einer Woche hat der linke Senator und einstige M-19-Guerillero Antonio Navarro Wolf von der Regierung gefordert, die Paramilitärs „sofort an mehreren Orten zu konzentrieren“. Denn seit dem Beginn der Verhandlungen zwischen Freischärlern und Regierung seien mindestens 600 Menschen von den Paramilitärs ermordet worden, wie Menschenrechtsgruppen behaupten.

Die rechten Paramilitärs wurden in den 1980er-Jahren von Großgrundbesitzern aufgestellt, um die linke Guerilla zu bekämpfen. Ihnen werden Massaker an der Zivilbevölkerung und Beteiligung am Drogenhandel zur Last gelegt. In den vergangenen Jahren gab es jedoch immer wieder Hinweise darauf, dass die Paramilitärs Hand in Hand mit den Militärs der kolumbianischen Streitkräfte arbeiten würden.

So kritisiert der Jahresbericht des UNHCHR regelmäßig, dass die Militärs die Paramilitärs gewähren ließen und in vielen Fällen eine heimliche Komplizenschaft zwischen beiden herrsche.

Vielleicht ist Uribe ganz einfach nicht der Richtige für die Verhandlungen mit den Paramilitärs. Während seiner Zeit als Gouverneur von Antioquia (1994–1997) hatte Uribe im ganzen Department so genannte „Associaciones Convivir“ gegründet. Diese privaten Gruppen machten Front gegen die Guerilla und tauchen seit 1998 in den Berichten des UNHCR in Kolumbien als Keimzelle der rechten Paramilitärs auf. Unter Uribe wurde Antioquia zu ihrer Hochburg. Die rechten Milizen folterten und ermordeten Guerillaangehörige und diejenigen, die sie dafür hielten.

Uribes Kontakte zu den Paramilitärs wurden im Jahre 1999 besonders deutlich, als die Staatsanwaltschaft General Rito Alejo del Río beschuldigte, die rechten Milizen in Antioquia zu organisieren. Del Río ist für eine ganze Reihe von Folterungen und Morden an Zivilisten verantwortlich und wurde auf Druck des US-State-Departments vom Dienst suspendiert. Zu seinem Abschied gab das Militär ein Bankett. Ehrengast und Festredner: Álvaro Uribe. In seiner Rede feierte er den Kriegsverbrecher Del Río als einen Helden und Märtyrer.

Aber bereits davor gibt es schwarze Flecken in der Biografie des Präsidenten. Sein Vater hatte es in Antioquia als Pferdezüchter zu Reichtum gebracht. Damals war das Pferdezuchtgeschäft in Kolumbien eng mit der Drogenmafia und der Geldwäsche verbunden. Und so ist dann auch wenig überraschend, dass Uribes Vater eng befreundet war mit Fabio Ochoa, dem Chef eines Familienclans, der sich auf Drogenhandel spezialisiert hatte. Ochoas Sohn wurde im September 2001 als ehemaliger Finanzchef des Drogenbarons Pablo Escobars an die USA ausgeliefert. Als Uribe sich im Jahr 1997 für den internen Wahlkampf seiner Liberalen Partei rüstete und Präsidentschaftskandidat werden wollte, ließ er sich mit einem seiner Unterstützer fotografieren: mit Fabio Ochoa, dem Freund des Vaters.

Nicht der einzige Verdacht gegen Uribe, mit der Drogenmafia Kontakt gehabt zu haben. Als Direktor der zivilen Luftfahrtbehörde soll er Lizenzen für Kleinflugzeuge ausgestellt haben, die Drogen transportiert haben. Die meisten dieser Lizenzen sollen an Freunde seines Vaters gegangen sein, nicht wenige sogar binnen 24 Stunden, berichtet ein in der Sache tätiger Jurist.

Seiner Wahl zum Präsidenten im März 2002 tat dies keinen Abbruch. Rückendeckung kam von einer Paramilitär-Gruppe in einem Dorf nahe Medellín: Jede Stimme für Uribes Konkurrenten, so ließen sie wissen, bedeutet einen toten Dorfbewohner.