Parlamentsfeindliche Fratze

In einer turbulenten und teilweise bösartigen Debatte in der Bürgerschaft über den Polizeieinsatz gegen die Schüler-Friedensdemo wurden verbale Schlagstöcke eingesetzt

Dass Ronald Schill Innensenator ist und kein Parlamentarier, bedauerte gestern sogar dessen Parteifreund Peter-Paul Müller. „Sonst hätten Sie einen Ordnungsruf erhalten“, so der amtierierende Bürgerschaftspräsident. So blieb aus formalen Gründen Schills Behauptung ungerügt, die SPD zeige „mal wieder ihre polizeifeindliche Fratze“.

Turbulent ging es zu bei der gestrigen Debatte der Bürgerschaft über den Polizeieinsatz gegen die Schüler-Friedensdemo am 24. März, teilweise wurde es gar bösartig: Die verbalen Schlagstockeinsätze auf allen Seiten führten zu fünf Rügen wegen unparlamentarischen Sprachgebrauchs und einem vorübergehenden Auszug mehrerer Schill-Abgeordneter.

Dabei hatte Britta Ernst (SPD) lediglich festgestellt, Schill halte „Hetzreden“, und seine Fraktion bestehe aus „Rechtspopulisten, die demokratische Regeln missachten“. Leider kamen sie wieder rein. Zuvor hatten Carsten Lüdemann (CDU) und Leif Schrader (FDP) eingeräumt, dass die Demonstration der 20.000 SchülerInnen gegen den Irak-Krieg „absolut friedlich“ gewesen sei, auch sei es „gut, wenn Schüler sich politisch engagieren“. Allerdings, so Lüdemann, „nicht während des Unterrichts, sondern in ihrer Freizeit“. Leider sei „ein kleiner Teil gewalttätig“ gewesen, und dann habe die Polizei „maßvoll“ einschreiten müssen.

Dann aber meinten die verbalen Scharfmacher der Schill-Fraktion, Dirk Nockemann und Frank-Michael Bauer, sich am Wort vergreifen zu müssen, und so nahm die Eskalation ihren Lauf. Wer wie SPD und GAL wegen der Auflösung der Kundgebung durch Wasserwerfer und Schlagstöcke von „Übergriffen“ rede, betreibe „Diffamierung“, offenbare „Misstrauenskultur“ oder sei „ein Brunnenvergifter“, wie Fraktions-Vize Nockemann, im Hauptberuf Büroleiter des Innensenators, unterstellte.

Nachdem Gesine Dräger (SPD) oder Antje Möller (GAL) vergeblich versucht hatten, die Debatte wieder zu versachlichen, schlug der Senator selbst zu. Die SPD wolle „die Unschuldsvermutung für Polizisten abschaffen“, vermutete er und bestätigte damit die Richtigkeit der eingangs von Britta Ernst aufgestellten „Hetzreden“-Behauptung. Wer wie Rot-Grün eine „Saat der Gewalt“ säe, der solle „nach Absurdistan auswandern“.

Ob dieser „Beleidigungen“ griff spontan SPD-Fraktionschef Walter Zuckerer in die Debatte ein. Forderte er zunächst von Schill eine „Entschuldigung“, welche selbstredend ausblieb, schlug er „dann eben die harte Tour“ ein. Der für Recht, Gesetz und Verfassung zuständige Innensenator habe, so Zuckerer, „gar kein Verhältnis zu Parlament und Demokratie“, und mehr noch „frage ich mich, ob Sie noch innerhalb des demokratischen Spektrums stehen oder schon außerhalb“.SVEN-MICHAEL VEIT