off-kino Filme aus dem Archiv –frisch gesichtet

Der breiten Öffentlichkeit ist Willi Forst wohl eher als ein Vertreter der leichten Muse in Erinnerung geblieben, als Bonvivant in deutschen und österreichischen Operettenfilmen irgendwo zwischen Wiener Blut und Kaiserwalzer. Und dann gab es da natürlich noch seine Regiearbeit „Die Sünderin“, einen der Skandalfilme des bundesdeutschen Nachkriegskinos: mit Hildegard Knef, die als Malermodell in wilder Ehe lebt, ihren blanken Busen herzeigt und dem unheilbar kranken Geliebten beim Selbstmord hilft – die katholische Kirche schrie seinerzeit Zeter und Mordio. Tatsächlich war der in Wien geborene Forst, der am 7. April einhundert Jahre alt geworden wäre, jedoch weder ein belangloser Unterhaltungskünstler noch eine Skandalnudel, sondern einer der interessantesten Schauspieler und Regisseure deutscher Sprache. In der Komödie wie im Gesellschaftsdrama gleichermaßen zu Hause, zeichnete sich Forst als Schauspieler durch Charme und Eleganz aus, derweil seine Regiearbeiten oft von seiner hohen Musikalität kündeten.

Zu seinen besten Filmen gehört zweifellos „Maskerade“ (1934), wo das Wien der Kaiserzeit mit rauschenden Bällen, raschelnden Röcken und einem Leben im Dreivierteltakt wiederauflebt. In der bitter-süßen Komödie um die Erlebnisse eines eleganten Malers (Adolf Wohlbrück), der einen Skandal auslöst, als er eine Dame der feinen Wiener k.u.k. Gesellschaft nur mit einem Muff bekleidet malt, spielt die Musik eine der Hauptrollen: Mit ihr charakterisiert Forst die Gegensätze der Gesellschaftsschichten (der Hofkapellmeister stimmt ein Werk von Bach an, im Umschnitt grölen die Besucher einer verräucherten Spelunke die pikanten Lieder der vortragenden Künstler mit) oder er dramatisiert die Handlung (ein Chirurg wird aus einem Caruso-Abend zu einem Verletzten gerufen; dramatische Töne begleiten die lebensbedrohliche Situation, von der gelungenen Operation wird dann leichtere Muse künden).

Und auch in übertragenem Sinne ist die Musik überaus wichtig: Als der Maler einmal einen erfundenen Namen für eine Notlüge benötigt, fällt ihm partout nichts ein. Doch da gerät eine Partitur in sein Blickfeld, und schon ist ein Fräulein Dur geboren. Allerdings gibt es tatsächlich ein Fräulein Dur (Paula Wessely), welches den Gesellschaftslöwen alsbald mit mädchenhaftem Charme zur Strecke bringen wird. Am Ende wird dem weltgewandten Wohlbrück seine Liebeserklärung derart peinlich sein, dass er sie der Wessely geradezu ins Gesicht brüllen muss …

Maskerade“ 14. 4. im Filmkunsthaus Babylon; 15. 4. im Arsenal 2

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Der ultimative Film zum Thema Krieg dürfte immer noch Stanley Kubricks schwarze Komödie „Dr. Seltsam oder Wie ich lernte, die Bombe zu lieben“ sein: eine irrwitzige Reflexion über paranoide Generäle, dubiose Präsidentenberater, Krieger, die auch den blödesten Befehl zuverlässig ausführen, und eine Technik, die völlig außer Kontrolle geraten ist. In einem Telefongespräch zwischen dem amerikanischen Präsidenten (Peter Sellers) und dem betrunkenen russischen Premierminister geht es derweil darum, wem die Vernichtung der Menschheit nun mehr Leid tut …

„Dr. Seltsam oder Wie ich lernte, die Bombe zu lieben“ 10. 4.–16. 4. im Intimes

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Von der Erinnerung erzählt der Film „Claire – Se souvenir de belles choses“ der französischen Regisseurin und Schauspielerin Zabou Breitman: Claire (Isabelle Carre), eine junge Frau von gerade mal Anfang dreißig, kommt mit der Befürchtung, die Alzheimer-Krankheit ihrer Mutter ererbt zu haben, in ein Sanatorium. Anfangs stehen Tragik und (Tragi-)Komik noch eng beieinander: Patienten und die ebenfalls ein wenig kommunikationsgestörten Therapeuten sind da manchmal nur schwer auseinander zu halten. Als sich Claires Verdacht jedoch bestätigt und sie sich gleichzeitig in einen Mitpatienten verliebt, entwickelt sich der Film zu einem ergreifenden Drama über den schwierigen Alltag eines Paares, dem nicht mehr viel Zeit für gemeinsame Erinnerungen bleibt.

„Claire – Se souvenir de belles choses“ 10. 4.–14. 4. im Melodie Potsdam

LARS PENNING