angehört
: Hommage an eine vergessene Frau

In ihrer Küche trafen sich die Stars der Dada- und Surrealisten-Szene. Sie war eine kenntnisreiche Kunsthistorikerin, eine genau hinschauende Journalistin und Kölnkennerin. Doch aus der Erinnerung der Stadt ist Lou Straus-Ernst verschwunden. Die mit viel Respekt und Liebe gestaltete CD „Sollst je du sollst du Schwänin auf dem Ozean“ holt sie aus der Vergessenheit zurück.

In 60 Minuten schält sich das Porträt einer starken, sensiblen, eigenwilligen Persönlichkeit heraus. Eine Collage aus Gedichten (die Dada-Eloge des Kölners Baargeld auf Lou Straus-Ernst gab der CD den Titel), Erinnerungen von Sohn Jimmy und eigenen Aufzeichnungen sowie Dialog-Szenen. Ausgewählt hat die Texte die Journalistin Ute Remus, die auch die Lou spricht. Weiter wirken mit Gerhardt Haag, Vreneli Busmann, Jürg Löw und andere. Eine zurückhaltende, nicht auf Effekte zielende Inszenierung und gerade dadurch eindrucksvoll.

Ihr Leben in Kürze: geboren 1893 in Köln, 1918 Heirat mit Max Ernst, der sie vier Jahre später wegen Gala Eluard verlässt. 1920 Geburt von Sohn Hans-Ulrich, genannt Jimmy. 1926 Scheidung. Nach einem „Besuch“ der Gestapo 1933 Emigration nach Paris. Internierung in Vichy-Frankreich, Abtransport mit dem vorletzten Zug nach Auschwitz. Die Deportation überlebt sie nicht.

Dem Zuhörer entsteht das Bild einer Epoche: Die Auseinandersetzung zwischen ihrer fortschrittlich-jüdischen Familie und der konservativ-katholischen von Max Ernst. Die Leichtigkeit des Seins in den 20er Jahren, der Optimismus, den Nazis in Frankreich zu entkommen zu sein. Der unausweichliche Untergang: Weil nicht prominent genug, erhält sie kein Visum fürdie USA, Ex-Mann Ernst dagegen reiste mit Peggy Guggenheim nach New York. Eine Wiederheirat mit ihm lehne sie ab: „Ich habe nie geschwindelt“. Die Tür zur Freiheit schließt sich – und sie kann das nicht aufhalten

Unaufdringlich unterstützt wird die Dramaturgie von Pianist Wolfgang Hoyer, (Kabarett „Die Machtwächter“): Die Wildheit der 20er Jahre, die Ungläubigkeit gegenüber dem heraufziehenden Nationalsozialismus, die Brutalität der Nazis – alles spiegelt sich in der Musik wieder.

JÜRGEN SCHÖN

„Sollst je du sollst du Schwänin auf dem Ozean – Hommage an Lou Straus-Ernst“: Schwind von Schwind Verlag Köln, ISBN 3-932050-23-1