„Ich mache hier Musik“

Zwölf Stunden hinter den Plattentellern: Boris Dlugosch und DJ Rabauke über ihre Marathonnacht als DJs, den Erfolg im Club und die besten Methoden, sich anschließend zu entspannen

Interview Eberhard Spohd

taz hamburg: Ihr habt morgen eine lange Nacht vor euch: Erst legt ihr von 16 bis 21 Uhr in der Beta Lounge auf und anschließend bis in den frühen Morgen in der Tanzhalle St. Pauli. Wie bereitet sich ein DJ denn auf so was vor?

Boris: Mit Marathonläufen vielleicht? Für mich ist das auf jeden Fall etwas Neues.

Rabauke: Für mich auch. Ich kenne schon so etwas wie Doppelshows: Erst ein Eins,Zwo-Konzert absolvieren, nach dem Auftritt sofort zu Viva 2 gefahren werden und nach den Fantastischen Vier live im Fernsehen auflegen. Und wenn alles vorbei ist, ist man kaputt.

Merkt man der Musik, die ihr macht, an, wie eure Laune ist?

Boris: Ich glaube nicht, wir sind schließlich Profis. Ich werde gefragt, ob ich einen Auftritt machen möchte, dann muss ich das durchziehen. Natürlich will ich dann auch das Beste geben. Das ist mein Job. Ich mache ihn gerne und möchte ihn auch noch weiter machen. Man denkt dann vielleicht von sich selbst, wenn man gestresst oder kaputt oder traurig war, nicht 100 Prozent gegeben zu haben. Aber das Publikum merkt das meistens nicht.

Rabauke: Morgen wird das aber kein Problem werden. Die Beta Lounge ist ja eine sehr entspannte Geschichte. Danach machen wir uns etwas Schönes zu essen, gehen in die Tanzhalle, bereiten uns vor, und dann kommen die Leute.

Ihr müsst aber damit rechnen, dass die Leute mitwandern. Da könnt ihr nicht das gleiche Programm noch einmal spielen.

Boris: Nein. Das sind aber auch zwei Dinge. Das eine ist der entspannte Nachmittag. Da kommen auch ein paar Familien mit ihren Kindern. Da kommt man nicht in Versuchung, Vollgas zu geben. Die Clubnacht wird dann etwas ganz anderes.

Wie legt man dann eigentlich so ein DJ-Set an? Was geht euch vorher durch den Kopf?

Rabauke: Ein Set, dass man spielen kann, hat jeder DJ. Eine Auswahl und Reihenfolge von Platten, von denen er weiß, dass er damit nicht so furchtbar falsch liegen kann. Aber ich möchte ja auch für mich selbst etwas Besonderes machen. Ich gehe meine Platten durch und versuche für mich selbst, zwei bis zehn Platten einzupacken, die ewig nicht in der Kiste waren. Prinzipiell packe ich immer verschiedene Sachen ein. Ein paar Stücke, die man immer gerne spielt, ein paar Neuheiten, ein paar Sachen, die nicht jeder sich traut zu spielen, ein paar die kaum jemand kennt. Oder ich mache mir wirklich die Arbeit und schnitze mir selber einen Remix von einem Titel.

Warum diese Arbeit?

Rabauke: Damit biete ich dem Publikum etwas an, was sonst keiner macht. Oft werde ich dann gefragt: Was läuft da denn grade? Dann muss ich zurückfragen: Was meinst du denn? Das sind jetzt gerade zwei Platten. Wenn man dann noch einen Laptop dabei hat, aus dem die Loops kommen oder vorproduzierte Musik, dann wird es noch komplexer. Dann kann ich den Leuten nur sagen: Ich mache hier Musik.

Boris: Bei mir ist das ähnlich. Ich habe einen Grundstock von aktuellen Platten. Aber jedes Mal – meine Frau treibt das zur Verzweiflung – stehe ich stundenlang vor dem Regal und gehe jedes Brett durch. Ich weiß nie wo alles steht, weil ich zwischendurch einen Stapel Platten da wieder reingeknallt habe und einen dort und alles gut durchgemischt ist.

Geht das denn immer gut?

Boris: Das kommt darauf an wo ich auflege und vor welchen Leuten. Ich bin beispielsweise einmal in einem Klischee von einem House-Club in Süddeutschland gelandet. Da dachten alle, dass sei der Dlugosch von 1996. Ich kam aber mit rockigen Sachen an. Da habe ich schnell gemerkt, dass das nicht ankommt. Natürlich ist das auch mein Job. Ich will ja nicht, dass alle Leute nach Hause gehen und mich ätzend finden. Ich will, dass die Tanzfläche lebt. Ich finde es ganz schlimm, wenn ein DJ nur seinen Film fährt: Entweder ihr fresst das jetzt oder ihr geht heim. Das ist nicht mein Anspruch.

Was macht dann den Erfolg im Club, auf der Party aus?

Boris: Dass man etwas gibt, etwas von den Leuten zurückbekommt und sich über den Abend gegenseitig hochschaukelt. Einfach gesagt: Ich habe Erfolg, wenn die Leute durchdrehen.

Da gibt es aber auch bestimmte Mittel. Weißt Du mit deiner Erfahrung, wie die Leute reagieren.

Boris: Jeder meint zu ahnen, bei welchen Platten das geht. Das Lustige ist aber, dass das ganz unterschiedlich ist. Es gibt Platten, zu denen in Hamburg alle tanzen, während in München gar nichts passiert.

Gibt es Platten, die überall funktionieren?

Rabauke: Ja, die gibt es.

Boris: Aber die willst du nicht immer spielen. Das wird langweilig.

Rabauke: Aber an so einem Siedepunkt, an dem du denkst, dass es jetzt richtig gut ist, hast du auch die Hauptaufmerksamkeit von den Leuten. An dieser Stelle entscheidet sich der Abend.

Boris: Du hast das Richtige dabei und kannst den Abend am Leben erhalten ...

Rabauke: ... oder es reißt ab.

Das heißt, es gilt einen Spannungsbogen aufzubauen und den solange wie möglich zu halten.

Boris: Im Prinzip ja, nur das es verschiedene Bögen und Richtungen gibt. Du kannst das Tempo rausnehmen, weniger Vocals einsetzen und mehr auf Instrumentals oder Beats gehen und wieder zurück. Am besten ist es, den Bogen in einem weiten Spektrum immer weiter zu führen.

Und wenn alles vorbei ist: Wie entspannt ihr euch von der Musik und vom Auflegen?

Rabauke: Es ist wichtig, Gegenpole zu schaffen. Ich beschäftige mich zum Beispiel mit meinem Sohn. Das beruhigt mich und gibt mir immer wieder Kraft, auch wenn es eigentlich anstrengend ist.

Boris: Ich habe ein heimliches Hobby: Ich angle.

Weil es dabei schön still ist?

Boris: Ja, genau

Jetzt verrät Boris Dlugosch seine Lieblingsseen in Hamburg.

Boris: Nein. Ich habe erst diesen Winter einen Schein gemacht. In Deutschland kann man sich ja an keinen See setzen, ohne dass einem gleich jemand auf den Pelz rückt.

Wo hast du dann bislang Petri Heil gesucht?

Boris: Früher als Kind war ich mit meinen Eltern immer in Skandinavien angeln. Irgendwo im Hinterkopf hatte ich immer das Gefühl, wie schön das war, einfach in der Natur zu sitzen. Und dann hat mir meine Frau zum Geburtstag eine Angel geschenkt. Wir sind nach Schweden gefahren, sie hat zwei Hechte gefangen und ich gar nichts.

morgen, 16 Uhr, Beta Lounge, Sternstraße 67; 23 Uhr, Tanzhalle St. Pauli