Paranoia von innen

Ein Wunder: Der Film „Jonas“ passt so gut ins Jahr 1957, wie ein Laptop ins Mittelalter. Jetzt zeigt ihn das Kino 46

Ein Laptop im Mittelalter? Teufelszeug. Der Film „Jonas“ im Jahr 1957? Der endgültige Wahnsinn des deutschen Kinos. Das zumindest diagnostizierten einige Kritiker anhand des von Nervenarzt Ottomar Domnick gedrehten Spielfilms. Nur fehlte ihnen die Macht der Inquisitoren: Es wurde nichts verbrannt. Jetzt ist die Zeit reif, es zu verstehen. Als Wunder.

Denn der Film, den das Kino 46 als Nachschlag zur literarischen Woche zeigt, nimmt in entschlossenem Schwarz-Weiß eine Bildsprache vorweg, die erst ab den 70er-Jahren aktuell wird. Montagen, Gegenüberstellungen, Metaphern und technisch rührend bemühte Überblendungen, das sind – Drehbuchautor war Hans-Magnus Enzensberger – lyrische Mittel. Und wirklich dichtet der Film eher, als zu erzählen. Sein erstes Bild: Der Fernsehturm von Stuttgart bei Nacht. Dazu: Selbstmordstatistiken. Die Schlusseinstellung: Der selbe Bau. Die Hauptfigur wird gesprungen sein.

Jonas lebt im Bauch des Molochs: Die Kamera gleitet über Beton, rasant hinter einander geschnitten Industriestein und Hausfront: Das Modul ist wie das Ganze, und das scheint nur Baustein. Dazu wimmert Winfried Zilligs E-Orgel, als sähe man ein Atze-Brauner-Remake von Doktor Mabuse. „Die Stadt ist leer“ schnarrt’s aus dem Off, „die Welt ist mit Zeichen vernagelt.“ Das sind ideale Wachstumsbedingungen für eine Paranoia. Sie kriecht von innen herauf, spiegelt sich in Robert Grafs stummfilmweiten Augen. Und kribbelt auf der Haut. bes

Kino 46, So bis Di, 20.30 Uhr