Nicht die richtigen Afrikaner

Für die afrikanischen Berliner ist der Africa-Cup ein Stück Kultur. So viele Konflikte es in der Heimat auch gibt: Wenn es um Fußball geht, halten alle zusammen

„Fuck you.“ Die Jungs vor der Videoleinwand sind ganz schön aufgebracht. Das marokkanische Mittelfeld-Ungeheuer Youssef Hadji hat gerade zum 3:0 gegen Mali eingeschoben. Es ist das Halbfinale der afrikanischen Fußballmeisterschaft. „Fuck you.“ Die Männer, die sich aufregen, stammen aus Elfenbeinküste. Wenn es gegen eine Mannschaft aus dem Norden geht, halten alle zusammen. So ist das beim Africa-Cup, dem afrikanischen Gegenstück zur Fußball-EM. Auch in der Kreuzberger Bar „Calebasse“, wo sich die Berliner afrikanischer Herkunft zum Fußballgucken treffen.

„Der Africa-Cup, das ist Kultur“, meint Felix Jeo aus Schöneberg. Es ist sein Stück Heimat. Und die Möglichkeit sich mit anderen Afrikanischstämmigen zu treffen. Jeo stammt aus Elfenbeinküste und lebt seit fünf Jahren in Berlin. In seiner Heimat hat er einen Magister in Biologie gemacht, in Deutschland will er weiterstudieren. „Zu einem Fußballspiel können sich die Leute treffen und einmal nicht über Politik reden“, sagt Jeo.

Politik ist ein heikles Thema für viele, die hier sitzen. In Elfenbeinküste ist Bürgerkrieg. Felix Jeos ganze Familie lebt noch dort. „Da kann man nicht ans Fußballspielen denken.“ Aus Jeos Heimat kommt in diesem Spiel nur der Schiedsrichter. Das Nationalteam hatte gar nicht beim Africa-Cup mitgespielt. Die Mannschaft war bereits in der Qualifikationsrunde gescheitert.

Erst 1:0. In der 58. Minute das 2:0. Marokko macht schnell alles klar. Das Halbfinale ist kein spannendes Spiel. Auch kein Klassiker. Eher so, wie wenn die tschechische Republik gegen Belgien spielt. Trotzdem sind etwa 20 afrikanischstämmige Berliner zum Zuschauen in die „Calebasse“ gekommen.

Papus, der Kneipier aus Guinea, zeigt jedes Spiel auf Großbildleinwand. Natürlich ist er auch für Mali: „Ich habe ein paar Verwandte dort.“ Vielleicht liegt es auch daran, dass Mali das letzte Team aus Schwarzafrika im Wettbewerb ist. Fußball ist eine der wenigen Gelegenheiten, wo Afrika zusammenhält. Für kurze Zeit sind die Kriege, die neuen und alten Feindschaften vergessen. „Wir Schwatten müssen zusammenhalten“, hatte einst der Dunkelhäutige Anthony Baffoe gefordert. Er war Abwehrspieler beim 1. FC Köln.

„Durch Sport kann sich auch Freundschaft entwickeln“, hofft Felix Jeo. Die Männer, mit denen er das Spiel schaut, bezeichnet er mittlerweile als seine „Brüder“. Mit den Marokkanern wird er bei diesem Africa-Cup wohl keine Freundschaft mehr schließen. Dafür verwandeln sie heute ihre Chancen zu eiskalt. Ein Abwehrspieler der Mannschaft aus Mali macht einen verunglückten Rückpass. Torwart Mahamadou Sidibe langt schon zum dritten Mal in diesem Spiel schwer am Ball vorbei. Tor in der 90. Minute. Es steht 4:0. Die Marokkaner jubeln. Die Berliner, die aus Elfenbeinküste stammen und für Mali mitfiebern, langen sich an den Kopf. So deutlich sollte es nicht ausgehen. Mali war eigentlich der Favorit. Abpfiff. Die letzte dunkelhäutige Mannschaft ist aus der Afrika-Meisterschaft ausgeschieden. Im Finale spielt Tunesien gegen Marokko.

Felix Jeo hat von der Vorrunde bis zum Halbfinale bisher so gut wie jedes Spiel des Turniers gesehen. Bei einem Finale Tunesien gegen Marokko sieht das anders aus. „Das Spiel werde ich nicht anschauen“, meint Jeo. „Das sind keine richtigen Afrikaner.“

BERNHARD HÜBNER