Erschlagene Schafe wehen sanft im Wind

Bilder, in denen man einschlafen möchte: Theo Angelopolous Wettbewerbsfilm „Die Erde weint“ ist der erste Teil einer episch angelegten Trilogie. Angenehm altmodisches Ausstattungskino an der Grenze zum Fremdenverkehrskitsch

„Trilogie: Die Erde weint“, der mit 170 Minuten durchaus abendfüllende Wettbewerbsbeitrag des bekanntesten griechischen Regisseurs Theo Angelopolous beginnt sehr gemächlich: In der Totalen sieht man eine Gruppe von Menschen langsam auf den Zuschauer zugehen. Dunkel gekleidet heben sie sich schön ab vor dem Meer und dem Himmel, die hinter ihnen ineinander übergehen. Eine angenehme Erzählerstimme aus dem Off verdoppelt das Geschehen mit einem Text, der so klingt, wie der Anfang eines großen, epischen Romans.

Es handelt sich also um Griechen, die 1919 vor den roten Garden aus Odessa fliehen. Ganz langsam zoomt die Kamera auf die Gruppe, dann auf einen kleinen Jungen und ein Mädchen, die nebeneinander stehen. Man sieht wie das Mädchen schüchtern nach der Hand des Jungen sucht. „Trilogie: Die Erde weint“ ist der erste Teil einer Trilogie, die von einem Jahrhundert griechischer (Exil-)Geschichte handelt und im New York der Jetztzeit enden soll.

Im Mittelpunkt steht Eleni (= Helena), die, schlägt man bei Homer nach, nicht nur zufällig so heißt. Sie ist eine Waise und wird von einer Flüchtlingsfamilie nach Griechenland mitgenommen. Patriarch dieser Großfamilie ist Spyros, den sie später heiraten soll. Sie liebt jedoch dessen Sohn und flieht mit ihm nach Thessaloniki. Im Hintergrund gibt’s griechische Vor-, Nach- und Bürgerkriegsgeschichte, viel schöne, melancholische Musik und irgendwie ist alles sehr tragisch.

„Trilogie: Die Erde weint“ ist angenehm altmodisches Kino, mit langen Sequenzen und ganz langsamen, ausgeklügelten Kameraschwenks, ein so opulent wie sorgfältig ausgestatteter Historienfilm, der mit schönen Bildern beeindruckt: Wohl hundert weiße Laken trocknen am Strand vor dem Meer. Das Bild wird später noch getoppt, wenn ein Held des Films sterbend durch diese Laken torkelt. Oder: Minutenlang schaut man auf einen Baum, an dessen Ästen statt Weihnachtskugeln lauter erschlagene Schafe hängen.

Es gibt viele solcher Bilder, in denen man sich ausruhen oder auch einschlafen kann, deren Perfektheit aber eher verhindert, dass man Anteil nimmt, an der durchgehend linear erzählten Geschichte seiner Helden. „Trilogie: Die Erde weint“ stirbt in Schönheit, könnte man sagen; andererseits entsprechen die 170 tatsächlichen Minuten vielleicht 130 Minuten gefühlter Zeit.

DETLEF KUHLBRODT

Heute, 15.00 und 21.00, Royal Palast