berlinale szene Armut, Krankheit, Tod

We’ll catch up later

Das Beste ist die Lobby des Hyatt. Obwohl das Pressezentrum im Hotel untergebracht ist, hängt in der Eingangshalle ein Hauch von ehrlicher und äußerst gut bezahlter Arbeit. Hier trägt man nicht einfach nur eine Akkreditierung, sondern gleich einen „market badge“ über der Krawatte, und verabredet sich nicht zwischen Filmvorführungen, sondern nach einem der Meetings: „We’ll catch up later.“ Eine ältere Dame hat stilsicher bei Chanel ein cremefarbenes Kostüm erstanden, das überraschend gut mit dem hintergrundbeleuchteten Alabaster-Relief an der Wand harmoniert, während eine übergewichtige Amerikanerin zu ihren High Heels stolz einen roten Designer-Jogging-Anzug mit „Berlin“-Aufdruck trägt. Gelangweilt lässt sie den Business Talk an ihrer Sitzgruppe an sich vorüberziehen: „I’m calling from Berlin“ und „yes, we wanted it for DVD and Video“. Ein nervöser junger Mann versucht, einer Gruppe gelangweilter Produzenten aus L.A. ausgerechnet das „Pan Asia“ zu empfehlen, und an der Rezeption lehnt in zerrissenen Jeans Alessandro Nivola, der gerade den Rockstar in „Laurel Canyon“ gespielt hat. Dann rast mit irrer Geschwindigkeit ein Rollstuhl durch den Raum, und für einen Moment ist es ganz still. Armut, Krankheit, Tod. Doch es ist nur ein Kameramann von „cine +“, der sich von seinem Assistenten für ein paar wirbelnde Bilder durch die Lobby schieben lässt. Bilder vom wirklichen Leben. KOLJA MENSING