DAS EU-PARLAMENT NUTZT SEINE RECHTE NICHT – SONDERN FORDERT NEUE
: Angst vor dem Nein

Das Europäische Parlament braucht mehr Einfluss – da sind sich Europapolitiker quer durch alle Parteien einig. Betrachtet man die Vorgänge bei der Plenartagung diese Woche in Straßburg, stellt sich die Frage, was das hohe Haus mit mehr Macht anfangen will. Es nutzt nicht einmal die, die es hat.

Jedes Frühjahr wieder stellt der Haushaltskontrollausschuss Mängel in der Abwicklung des Budgets vom vorvergangenen Jahr fest. Die Mittel fließen schlecht ab, es bleibt unklar, ob Einnahmen und Ausgaben ordnungsgemäß abgewickelt werden. Um das zu konstatieren, braucht es keinen detektivischen Spürsinn. Es genügt ein Blick in den Bericht des Rechnungshofes.

Doch die Kritik bleibt meist folgenlos. Die Linken wollen die Kommissare aus den eigenen Reihen nicht beschädigen und stimmen deshalb trotz Bauchschmerzen für die Entlastung – so auch dieses Mal. Auch viele Konservative scheuen vor den Konsequenzen zurück, die ein Nein haben könnte. Eine Palastrevolution zum jetzigen Zeitpunkt könnte die ganze EU-Osterweiterung in Gefahr bringen. Dabei zeigt gerade der Erweiterungsprozess, dass es so weit gar nicht kommen muss. In Kopenhagen hatte der Rat finanzielle Zusagen an die neuen Mitglieder in die Beitrittsverträge geschrieben – und damit das Mitspracherecht des Parlaments missachtet. Nach gescheiterten Schlichtungsgesprächen zwischen Rat, Kommission und Parlament wurde in letzter Minute ein Kompromiss gefunden, der die Rolle des Parlaments in der Finanzplanung respektiert.

Man mag das für Prinzipienreiterei halten, doch das Parlament tut gut daran, sich seine geringen Rechte nicht weiter beschneiden zu lassen. Hätten vor der gestrigen Abstimmung nicht einige Parlamentarier gedroht, die Erweiterung abzulehnen, wäre der Rat zu keinem Kompromiss bereit gewesen. Für die Kommission gilt das gleiche Prinzip: Nur wenn sie um die Entlastung fürchten muss, wird sie sich bewegen. Und nur wenn das Parlament seine derzeitigen Möglichkeiten nutzt, klingt die Forderung nach mehr parlamentarischer Kontrolle überzeugend. DANIELA WEINGÄRTNER