Goodbye, Saddam Hussein

Das Regime des irakischen Diktators verschwindet über Nacht. US-Streitkräfte rücken ins Zentrum von Bagdad vor, von irakischen Soldaten oder Polizisten weit und breit keine Spur. Vereinzelte Schusswechsel. Plünderungen in mehreren Stadtteilen. Verbleib Saddam Husseins unbekannt

BERLIN taz/dpa/ap ■ Drei Wochen nach Kriegsbeginn ist das Regime Saddam Husseins am Ende. Zwar ist nicht bekannt, ob der irakische Diktator noch lebt oder wo er sich aufhält, doch die Machtstruktur ist über Nacht zerbröselt. Am Nachmittag kontrollierten US-Truppen wichtige Teile der Hauptstadt Bagdad.

Im schiitischen Armenviertel Saddam City, in dem rund eine Million Menschen leben, jubelten die Einwohner den amerikanischen Soldaten zu. Dort und in mehreren anderen Stadtteilen drangen Menschen in Kasernen, Behörden und andere staatliche Einrichtungen ein und schleppten alles heraus, was nicht niet- und nagelfest war. Gestürmt wurden unter anderem die Zentrale der Verkehrspolizei, das Büro des Olympischen Komitees, das von Husseins Sohn Udai geleitet wird, Lagerhäuser des Handelsministeriums und die Zentrale der staatlichen Ölgesellschaft. Ungehindert von irakischen Sicherheitskräften oder US-Soldaten, zogen die Plünderer mit Computern, Möbeln und anderen Gegenständen davon.

In der Nähe des Hotels Palestine sammelten sich am frühen Abend zahlreiche Iraker auf einem Platz und begannen damit, eine fünf Meter hohe Saddam-Statue zu Fall zu bringen. Einige Männer kletterten auf den Sockel und versuchten, ein Seil um das Monument zu legen. Mit Hilfe eines US-Bergungspanzers wurde die Statue schließlich vom Sockel gestürzt. Zuvor hatten mehrere Menschen die Figur mit ihren Schuhen beworfen und goldene Einzelteile demontiert. Auch der Platz war von Panzern der US Marines umstellt. Jugendliche boten den Soldaten Blumen an, wurden dabei aber von einem stämmigen Mann angerempelt und beschimpft.

Ähnlich wie die Taliban in Kabul verschwanden über Nacht die Fahnen schwenkenden Anhänger Saddam Husseins mit ihren Sprechchören, die Milizen in den Sandsackburgen im Stadtzentrum und die Regierung, darunter auch Informationsminister Mohammed al-Sahhaf mit seinen Ankündigungen von vernichtenden Siegen über die US-Truppen. Doch nicht allen gelang es, sich abzusetzen: Eine Gruppe von Mitgliedern der Republikanischen Garden versuchte in der Nacht zu Mittwoch, mit 15 kleinen Booten den Tigris zu überqueren. Sie wurden von US-Panzern beschossen. Dabei wurden alle Boote versenkt und die Insassen getötet.

Ausländische Journalisten konnten gestern erstmals ohne jegliche Überwachung durch die irakischen Behörden berichten. Der Korrespondent der BBC, Rageh Omaar, sagte, das Kontrollsystem sei „völlig zusammengebrochen“.

Der Krieg ist damit allerdings noch nicht zu Ende. „Heute ist das Regime in Auflösung, und ein großer Teil Iraks ist frei von Jahren der Unterdrückung“, sagte US-Brigadegeneral Vincent Brooks im US-Hauptquartier in Katar. Die Verbündeten erwarteten jedoch weiteren Widerstand in anderen Städten.

Nach Angaben von Brooks haben die Truppen die Straßen von Bagdad nach Tikrit blockiert, um irakische Regierungsmitglieder an der Flucht in die Heimatstadt von Saddam Hussein zu hindern. „Wir konzentrieren uns jetzt auf Tikrit“, sagte der General. In Bagdad gab es noch vereinzelt Angriffe von Heckenschützen.

US-Vizepräsident Richard Cheney hat angesichts der Ereignisse in Bagdad von großen Fortschritten gesprochen, aber zugleich vor „überzogenem Selbstvertrauen“ gewarnt. Man dürfe die „Verzweiflung“ der getreuen Saddam-Gefolgsleute und ihre Bereitschaft zum Weiterkämpfen nicht unterschätzen, sagte Cheney in New Orleans. B.S.